Ungefähr halb so viele Menschen wie in Baden-Württemberg leben im Libanon, auf weniger als einem Drittel der Fläche. Auch die Wirtschaftsleistung pro Kopf beträgt nur ein Drittel, bei großen Unterschieden zwischen Arm und Reich. Unter den sechs Millionen Einwohnern befinden sich rund 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge – und bis zu 400 000 Palästinenser. Wie viele genau, weiß kein Mensch: Wer weiterzieht, wird nicht registriert.
Leila Mousa ist seit 2004 immer wieder in den Libanon gereist. In Tamm bei Ludwigsburg aufgewachsen, beginnt sie in Heidelberg ein Geografiestudium. 2001 wechselt sie nach Paris, wo sie bei Rony Brauman studiert. Durch Brauman, der zwölf Jahre lang Präsident von Médécins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen) war, wird sie auf die Situation im Nahen Osten aufmerksam. Noch während ihres Studiums unternimmt sie erste Exkursionen, angefangen mit einem Praktikum in Gaza. Aber im Gazastreifen ist Arbeit nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Mousa will ihr Studium zu Ende bringen. Daher beschließt sie, sich auf den Libanon zu verlegen. Zu dem Land gibt es an ihrem Institut in Heidelberg bereits einen Forschungsschwerpunkt.
In ihrer Magisterarbeit beschäftigt sich die Geografin erstmals mit den palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon. Zwölf solche Lager gibt es; es sind allerdings keine Zeltlager oder Baracken, sondern eher richtige Städte oder Stadtteile – wie die entsprechenden Lager im Westjordanland, im Gazastreifen, in Jordanien und Syrien.
Zuständig ist <link http: www.unrwa.org external-link-new-window>die UNRWA, das 1949 nach der israelischen Staatsgründung und der Vertreibung der Palästinenser gegründete Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge. Das UN-Hilfswerk verwaltet die Flüchtlingslager, kümmert sich um Schulen und Gesundheit, vergibt Kleinkredite und Hilfsleistungen, heute vor allem Lebensmittel im Gazastreifen. Ursprünglich hatte die UNRWA nur für drei Jahre tätig werden sollen, in der optimistischen Annahme, dass sich das Palästina-Problem so schnell lösen ließe.
Keine politische Vertretung im Lager
2006 wird Leila Mousa Universitätsdozentin in Heidelberg. Sie nimmt am DFG-Forschungsprojekt "Urban Governance in humanitären Schutzräumen" teil. Im Rahmen dieses Projekts und um sich für ihre Doktorarbeit zu orientieren, reist sie 2007 zum ersten Mal für einen längeren Zeitraum von drei Monaten im Libanon. In Beirut lernt sie die Flüchtlingslager Sabra und Shatila kennen.
In diesem Jahr kommt es in Nahr al-Bared, einem anderen palästinensischen Flüchtlingslager, zu den schwersten Scharmützeln im Libanon seit Ende des 14-jährigen Bürgerkriegs, der 1975 mit Kämpfen zwischen den maronitischen, also katholischen Phalange-Milizen und der PLO begonnen hatte. Seit 1989 herrscht ein fragiles Gleichgewicht zwischen den religiösen und politischen Gruppen im Land. 2006 waren die Bewohner eines Flüchtlingslagers bei den israelischen Luftangriffen wiederum die ersten Leidtragenden. Der Vorwurf: Kämpfer der Hisbollah-Miliz hielten sich dort auf.
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Deitrich Heißenbüttel
am 09.01.2016