Neulich auf einer dieser Intellektuellen-Partys, wo Teddy Glatze Adorno, Marx und Žižek zum guten Ton gehören. "Und, was machst du so?" fragt mich einer, während er sich lässig eine Selbstgedrehte in den Mund steckt und mir gut dabei gefällt. Netter Versuch, um ins Gespräch zu kommen. Doch nach zwei Sätzen stelle ich verblüfft fest: Der Selbstdreher weiß über das, was ich mache, selbst viel besser Bescheid. "Ich beschäftige mich mit hegemonialen Strukturen in Splatterfilmen und ...", setzte ich zur Antwort an. Und schon unterbricht mich ein nicht zu stoppender Monolog, in dessen Verlauf mir erklärt wird, was ich auf über 150 Seiten meiner Master-Arbeit geschrieben habe. Dass die Definition von Hegemonie nicht einmal annähernd richtig wiedergegeben wird – Schwamm drüber.
Ganz offensichtlich geht der tabaklutschende Erklärbär davon aus, dass ich über Splatterfilme und Hegemonie eh weniger Bescheid weiß als er. Dezente Hinweise darauf, dass man mir darüber nix erklären muss – zwecklos. Ich stehe vor der Wahl: entweder debil grinsen und meine Einkaufsliste für morgen im Kopf durchgehen, während mich der Laberpanzer überrollt. Oder ich lasse ihn derbe auflaufen und verbaue mir sein Interesse. Egal: "Ich habe über ein halbes Jahr lang täglich zwei Splatterfilme von 1974 bis 2014 geglotzt, 14 Semester Philosophie studiert und (fast) alle Bände von Antonio Gramscis Gefängnisheften gelesen – erzähl mir nix über Machtverhältnisse in popkulturellen Werken, du Affe!" Jetzt überrollt mich ein letzter Monolog über Umgangsformen, und weg ist er.
Für dieses Phänomen, das ich jahrelang für meine persönliche Erfahrung hielt, gibt es seit 2014 ein Wort im Oxford Dictionary: "Mansplaining." Eine Wortschöpfung der amerikanischen Journalistin Rebecca Solnit, die aus "man" und "explaining" zusammengesetzt ist. Gemeint sind damit Männer, die auf eine herablassende Art Frauen Dinge erklären, weil sie davon ausgehen, dass sich Frauen bei allem eh weniger auskennen als sie.
Übrigens gibt es Mansplaining – für das es übrigens das schöne deutsche Wort "Herrklären" gibt – nicht nur auf Intellektuellen-Partys. Auch die Kollegin im Büro muss sich herrklären lassen, wie sie eine wirklich viel bessere Desktop-Einstellung einrichtet, obwohl sie nie danach gefragt hat. Da sie nicht unhöflich sein will, also grinst sie und sagt womöglich auch noch Danke, obwohl sie schon einen PC hatte, bevor ihr Kollege Youporn buchstabieren konnte.
Dabei ließe sich der Mansplainer so einfach wegerklären mit einem deutlichen: "Erzähl mir nix, du Affe!" Sie erinnern sich.
Das Dilemma ist aber, dass beide Geschlechter das Erklärbär-Dummchen-Spiel akzeptiert haben. Männer haben gelernt, dass sie bei Frauen mit Monologen punkten, weil Frauen wiederum gelernt haben, dass sie Bestätigung erfahren, wenn sie Ärger und lästige Männer weggrinsen. Für eine Welt voller emanzipierter Powerfrauen und Powermänner sollten sich jedoch im Falle einer Mansplaining-Attacke mehr Frauen für die Gegenattacke entscheiden. Auch wenn das bedeutet, dass der leckere Erklärbär konsterniert den Rückzug antritt.
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Christian
am 06.02.2016