"Klack, klack, klack" macht es bereits im Treppenhaus. Mit jedem Stockwerk wird das Geräusch lauter. Es kommt aus der Wohnung von Barbara Padron Hernandez hoch oben im fünften Stock des Altbaus, besser gesagt aus ihrer Schaffenshöhle. Die Tür steht offen, eine Stimme ruft: "Komm rein, ich muss das hier nur noch schnell fertig machen." Die 34-Jährige sitzt in Jogginghose und Tanktop auf dem Parkett ihres Ateliers und spannt eine Leinwand auf einen Holzrahmen, der fast so groß ist wie sie selbst. "Klack, klack, klack" macht der Tacker wieder stechend laut. Klack-zack ist man mittendrin in Hernandez' Welt, direkt und ohne Aufwärmphase.
Ringsherum stehen etwa 15 bis 20 Gemälde unterschiedlicher Größe. Fertige und unfertige. Kleine und große. Ihr größtes Bild ist 2,80 Meter hoch und 2,50 Meter breit. Es heißt "Verschwörung" und zeigt Adolf Hitler inmitten einer grotesken, surrealen Szene aus Tänzern, Kindern, Tieren und einer dreckig grinsenden Frau im schwarzen Cape. "Meistens male ich Menschen, mit denen ich zusammengewohnt habe", bemerkt Hernandez selbst überrascht, lacht und kämpft weiter mit dem Holzrahmen. Mit Hitler hat sie zwar nicht zusammengewohnt, die grinsende Frau auf dem imposanten Acrylgemälde hingegen ist ihre Exfreundin. Auf einem anderen Gemälde tanzen eine Frau und ein Mann mit verzerrten Gesichtern einen "Liebeskampf". Ein weiteres Bild zeigt das Porträt eines kleinen blond gelockten Mädchens. "Der Vater von der Kleinen war heroinabhängig", sagt Hernandez. Erst fotografiert sie das Model, dann wird es auf Leinwand in eine traumartige Szene eingefügt, die sie spontan assoziiert.
"Mich interessieren Menschen, die es nicht einfach haben. Märtyrer. Menschen im Lebens-Struggle", sagt die Künstlerin, die schneller denkt, als ihr Mund reden kann. Spanisch, Englisch, Deutsch – wenn sie redet, scheint eine Sprache nicht genügend Wörter zu besitzen, um sich auszudrücken. Ihre Hände sind dabei ständig in Bewegung, suchen einen festen Gegenstand, als müsse sie sich an ihm festhalten – oder einen Rhythmus auf ihm trommeln. Hernandez ist getrieben, wirkt müde und hat dennoch eine Energie, die einen schwindlig werden lässt. Neben dem Atelier liegt das Schlafzimmer, das eigentlich ein Musikzimmer ist, eines mit Bett, Klavier, Mikrofon, Gitarre und verschiedenen Effektgeräten. Alles griffbereit, falls Hernandez' im Schlaf eine Idee überfällt.
In der Küche wirbelt die junge Frau wild zwischen Kühlschrank und Herd hin und her, schnattert, wirft mit der einen Hand Gnocchi ins sprudelndes Salzwasser, während sie mit der anderen Hand nach einem Sahnebecher angelt und mit dem Knie eine Schublade zustößt. "Ich kann essen, so viel ich will, ich werde immer dünner – auch obenrum", sagt Hernandez, fasst sich mit beiden Händen an die Brüste und kichert. Der Stress sei schuld, dass sie so abgemagert sei, gut findet sie das nicht. Und tatsächlich: Hernandez ist erschöpft. Kann nicht mehr, sagt sie. Eigentlich. Dann lacht sie wieder herzlich über ihre schwarze Katze, die bettelnd am Tischbein sitzt, und maunzt zurück.
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Andreas Schmitt
am 10.02.2016