Eine sehr schöne schwarze Frau und in Großbuchstaben "Scheiß Weiße" sieht man auf dem Plakat. Das Kleingedruckte liest man erst auf den zweiten Blick: "Wie würdest du dich fühlen, wenn jeden Tag jemand das zu dir sagt?" Das Plakat gehört zur Anti-Rassismus-Kampagne <link http: www.eccar.info _blank external-link-new-window>der ECCAR, der European Coalition of Cities against Racism und steht als Aufsteller im Foyer. Es soll wohl Besucher der Konferenz auf die gemeinsame Sache einschwören. Als Mahnung ist es eher nicht gedacht. Denn wer sich in der ECCAR einbringt, steht schon lange auf der Seite derer, die dem Rassismus den Kampf angesagt haben.
Offiziell sind derzeit 122 Städte Europas Mitglied der Europäischen Städtekoalition gegen Rassismus. Die Initiative dazu startete die UNESCO im März 2004. Im gleichen Jahr schloss sich in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins ein entsprechendes Bündnis speziell europäischer Städte zusammen. Die Gründerstadt der ECCAR war Nürnberg. Seitdem tagt die Koalition alle zwei Jahre zur Generalkonferenz in verschiedenen Städten; im Oktober 2015 in Karlsruhe mit rund 200 Teilnehmern.
Von Anfang an hat ECCAR einen Zehn-Punkte-Aktionsplan, der den Kommunen konkrete Anleitung gibt, wie sie sich antirassistisch wappnen können. Dazu gehört, dass sich auf kommunaler Ebene ein solidarisches Netzwerk entwickelt, dass es Ansprechpartner und Unterstützung für diskriminierte Opfer gibt und auch, dass die Stadtbewohner allgemein für das Thema sensibilisiert werden müssen. Zu Letzterem zählt das erwähnte Kampagnenplakat der ECCAR im Foyer des Konzerthauses. Politisch korrekt, ansonsten aber kaum beachtet stand es da, wie ein Sinnbild für den hohen Anspruch und das hohe Niveau des Kampfes gegen Rassismus hierzulande. Drinnen im Saal wurde dagegen von ganz anderen Plakaten berichtet.
Erfolge und Enttäuschungen
In Ungarn wird gehetzt. Offiziell, vom Staat initiiert, werden dort in Millionenauflage Poster gedruckt und gehängt, die sich aggressiv gegen Flüchtlinge richten. Die rechts gerichtete Regierung Ungarns hatte dieses Jahr in Folge der Anschläge auf Charlie Hebdo in Paris gezielt die Themen Migration und Terrorismus vermischt und eine Kampagne mit Plakaten gestartet. "Wir müssen unser Land verteidigen", steht da zum Beispiel auf den Postern oder "Migranten nicht willkommen", auf Ungarisch. Der Staat gewährt den Flüchtlingen bewusst keinen kostenfreien Sprachunterricht. Von der aktuellen Fremdenfeindlichkeit in Ungarn erzählen die beiden Vertreter von der Bürgerinitiative MIGSZOL aus Budapest, Cristina Ciobanu und Yousef Asandinejad Tahergourabi. "Ich schaue aus dem Fenster meiner Wohnung auf so ein Plakat und musste es in den letzten Tagen öfters anderen Flüchtlingen übersetzen", sagt Yousef.
Der junge Mann war 2003 aus dem Irak geflüchtet und kam nach Budapest, wo er heute bei MIGSZOL, der Migrant Solidarity Group of Hungary, aktiv ist. Die Initiative entstand 2012, als in Budapest afghanische Flüchtlinge zusammen mit sich solidarisierenden Ungarn gegen die miserablen Unterkunftsbedingungen demonstrierten. Bis heute trifft man sich wöchentlich, sucht das Gespräch mit der Politik. Die ehrenamtlichen Aktivisten bei MIGSZOL wollen insbesondere politische Veränderungen – und beißen dabei auf Granit. "Es gibt aber auch viele Ungarn, die helfen wollen, nur erfährt die Öffentlichkeit von denen wenig. Die Medien berichten anders." Über die Zäune zum Beispiel, die Ungarn an seiner grünen Grenze gebaut hat. Das Land hat das Überschreiten seiner Grenzen ohne Papiere als Straftatbestand mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe festgelegt. "Das sind Gesetze, die gegen die Genfer Konvention verstoßen", sagt Yousef. Das Land sei rassistisch geworden. Es werde Stimmung gegen die Flüchtlinge gemacht und auch gegen diejenigen, die helfen wollen. Wer sich bei MIGZOL freiwillig meldet, um etwa als Lehrer ehrenamtlich Sprachkurse für die Flüchtlinge anzubieten, muss mit verächtlichen Kommentaren von anderen rechnen. Das bekommen Cristina und Yousef als Feedback von den Ehrenamtlichen, die via MIGZOL Ungarisch für Einwanderer unterrichten.
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Schwabe
am 18.10.2015