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Äpfel und Hohlbirnen

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Möge sich Donald Trump bloß nie ins Archiv der Konrad-Adenauer-Stiftung verirren. Denn dann könnte er auf die Idee kommen, die CDU als Terrornetzwerk einzustufen. Kürzlich ließ der US-Präsident per Dekret die Antifa-Bewegung zur "inländischen terroristischen Organisation" erklären. Und deren Verzweigungen reichen bis in die Anfänge der CDU. In den Beständen der unionsnahen Konrad-Adenauer-Stiftung lagert ein Parteiplakat von 1946 mit dem Slogan: "Antifaschisten bekennt euch und kommt zur Christlich-Demokratischen Union Deutschlands".

Heute werben Konservative wie Jens Spahn lieber um Verständnis für Trump und das MAGA-Lager: Alles nicht so schlimm, und schließlich hätten ja die Linken angefangen – "MAGA nutzt das, was bisher von der anderen Seite kam: Cancel Culture, Hass, Hate Speech", sagte Spahn am vergangenen Sonntag in der ARD-Talkshow von Caren Miosga. Die konterte, auf den kurzzeitig geschassten Late-Night-Talker Jimmy Kimmel Bezug nehmend, die Demokraten hätten keinen Moderator entlassen. Worauf Spahn auf die Entlassung der NDR-Moderatorin Julia Ruhs zu sprechen und zum Schluss kam: Sendungen und Moderatoren absetzen sei "vielleicht jeweils nicht gut".

Nun ja. "Beides gleichzusetzen wäre ein Vergleich von Äpfeln und Hohlbirnen", kommentiert unser Kolumnist Cornelius W. M. Oettle derartige rhetorische Blindflüge. Kimmels Sender ABC habe einen Millionendeal in Gefahr gesehen, während Ruhs schon in der "Klar"-Pilotfolge "dicke Schnitzer fabriziert und in einer so unausgewogenen wie tendenziösen Sendung über Migration simpelste journalistische Standards nicht erfüllt" habe. Was diverse CDU-Politiker:innen nicht davon abhält, Ruhs beizuspringen und wie der baden-württembergische MP-Anwärter Manuel Hagel seine "ganze Solidarität auszusprechen".

Da die Meinungsfreiheit ins Feld zu führen, ist gefährlich, wie der Historiker Volker Weiß im Kontext-Interview mit Bezug auf den Diskurs in den USA ausführt: "Lügen, Drohungen, Häme über den Tod von George Floyd – das war alles von der Meinungsfreiheit gedeckt. Jetzt, nach dem Mord an Charlie Kirk, werden Zeitungen, Sender und andere Akteure angegriffen, weil sie plötzlich doch nicht mehr von der Meinungsfreiheit gedeckt sind." Mit den antiliberalen Strategien der Rechtsextremen beschäftigt sich Weiß seit Jahren. Und beklagt, dass die demokratischen Kräfte schon immer die Virtuosität der Faschisten im Propaganda Bereich, im Umgang mit den jeweils neuesten Medien unterschätzt hätten. An diesem Sonntag, 28. September, wird Kontext-Redakteurin Gesa von Leesen in Esslingen mit dem Historiker über sein neues Buch sprechen.

Kabelattentäter im Fokus

Dieser "technologisch-modernistische Aspekt" in der Mediennutzung, wie Weiß es nennt, zeichnete auch die Nationalsozialisten aus: Als Adolf Hitler am 15. Februar 1933 in der Stuttgarter Stadthalle sprach, ließ er seine Rede im Radio übertragen. Vier junge Kommunisten vereitelten das damals, indem sie ein Übertragungskabel kappten – eine der wenigen wirksamen frühen Widerstandsaktionen gegen die Nazis.

Auf die könnte Stuttgart stolz sein. Allerdings gibt es bislang noch kein sichtbares Zeichen in der Stadt, das an sie erinnert. Mit Gedenkrundgängen versuchen dies seit einigen Jahren Gudrun Greth und Ebbe Kögel. Am 1. Oktober um 19 Uhr erinnern die beiden im Hotel Silber (Dorotheenstraße 10) an die vier Kabelattentäter, zeigen historische Film- und Tonaufnahmen aus dem SWR-Archiv. Anschließend diskutieren auf dem Podium unter anderem Nachkommen von Tatbeteiligten über die heutige Bedeutung der Tat und die Erwartungen an ein angemessenes Gedenken. Eine Tafel zu ihren Ehren oder ein Platz?

Ein Platz im Stuttgarter Westen erinnert immerhin seit dem 17. September an Shmuel Dancyger, einen jüdischen Auschwitz-Überlebenden, der im März 1946 bei einer Polizei-Razzia in der Reinsburgstraße erschossen wurde. Kontext hatte über den Fall berichtet (hier und hier). Zur Einweihung des Platzes sagte Stuttgarts Erster Bürgermeister Fabian Mayer (CDU), das Schicksal Dancygers zeige, "wie wichtig es ist, vergangenes Unrecht aufzuarbeiten". In einer Zeit grassierender Geschichtsumdeutungen erscheint schon so ein Satz wie ein tröstliches Symbol.

Gröner beklagt Sittenwidrigkeit

In der Abwärtsspirale seines Firmenimperiums (Kontext berichtete) muss Immobilienunternehmer Christoph Gröner die nächste Schlappe hinnehmen. Wie das "Handelsblatt" berichtet, verurteilte das Landgericht Leipzig den Baulöwen, gut sechs Millionen Euro an die Oldenburgische Landesbank (OLB) zu zahlen. Gröner hatte demnach eine private Bürgschaft für diesen Betrag übernommen, um ein Darlehen an eines seiner Unternehmen abzusichern. Daneben hafte Gröner mit seinem Privatvermögen noch für weitere Kredite seiner Firmen, die Rede war von bis zu 300 Millionen Euro.

Gröner argumentierte laut "Handelsblatt" vor Gericht, es sei sittenwidrig von der OLB, die Bürgschaft einzufordern, da dies zu einer "krassen finanziellen Überforderung" führe und die Bank genau wisse, dass er in erheblichem Umfang für seine Projektgesellschaften hafte. Da nun mehrere Ansprüche gleichzeitig geltend gemacht würden, hätte die Bank erkennen müssen, dass er nicht alle Forderungen erfüllen könne. Das Gericht konnte dieser Argumentation nicht folgen.

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