Die Zeiten des Paradieses, wo jeder Wunsch möglich ist, sind vorbei. Hat er genau so gesagt, der Friedrich Merz, CDU, bald Kanzler, vorigen Samstag in der ARD. "Schade, ich hatte mich so daran gewöhnt", seufzt ein Kollege aus der Redaktion. Was soll man auch sonst tun außer zu seufzen angesichts eines so dämlichen Satzes? Oder sind in den vergangenen Jahren alle Wünsche nach intakten Schulen, Hallenbädern und Bahnschienen, nach bezahlbarem Wohnen und guter Pflege in allen Lebensaltern erfüllt worden? Oder anders gefragt: Sind die vielen hundert Milliarden, die als Sondervermögen in die Infrastruktur fließen sollen, nicht gerade deswegen beschlossen worden, weil sich im Paradies schon seit geraumer Zeit ein gewaltiger Investitionsstau ansammelt?
Die Folgen: Wenn der Staat nicht funktioniert, haben die Leute irgendwann keine Lust mehr auf ihn. Gut zu sehen in Kommunen, die pleite sind, wie Sarah Weik in "Ungleiche Nachbarn" beschreibt: In Walldorf bekommen die Kinder in der neuen Schule iPads, im benachbarten Wiesloch verfällt das Gymnasium. Vor Ort das Geld zum Wohle aller zu investieren, hilft also, wenn man etwas dagegen tun will, dass Menschen sich von der demokratischen Ordnung abwenden.
Wenig hilfreich dagegen ist, der Bundesregierung 551 Fragen zu NGOs zu stellen, wie die CDU es jüngst tat, weil sie glaubte, Gruppen, die – vielleicht – Geld vom Staat bekommen, dürften nicht gegen sie beziehungsweise gegen eine Zusammenarbeit der CDU mit der AfD demonstrieren. Die sogenannte Kleine Anfrage ist mittlerweile von der Bundesregierung beantwortet. Sie erklärt den Christdemokrat:innen, dass "neben natürlichen Personen auch inländische juristische Personen des Privatrechts und nichtrechtsfähige Personenvereinigungen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen" könnten. Und dass die Bundesregierung nicht befugt sei, "Zuwendungsempfängern im Hinblick auf die Veranstaltung von Demonstrationen Vorgaben zu machen". Es lässt Schlimmes ahnen, wenn die künftige Regierungspartei so etwas nicht weiß (oder nicht wissen will).
Wie ein Gerichtsverfahren ausgeht, weiß bekanntlich niemand, bis das Urteil steht. Doch im Verfahren gegen den "Querdenken"-Initiator Michael Ballweg am Stuttgarter Landgericht deuteten die Richterin und ihre Beisitzer an, wohin die Reise geht, nach 27 Verhandlungstagen (weitere 20 sind terminiert): zu Gunsten des Angeklagten. Die Kammer schlug eine Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit vor. Vorgeworfen wird dem Stuttgarter Ballweg, der gerne von Frieden redet, Steuerhinterziehung und Betrug. Seit Ende vorigen Jahres wird verhandelt. Kontext-Redakteur Korbinian Strohhuber hat einige dieser Verhandlungstage bei Gericht verbracht und befand ebenfalls, dass die Ermittlungen gegen Ballweg, naja, nicht gerade überzeugten. Und was macht die Staatsanwaltschaft? Sie stellt Befangenheitsanträge gegen die vorsitzende Richterin und die beiden Beisitzer. Menschlich nachvollziehbar, schließlich hat die sechsköpfige Ermittlungsgruppe "Kreuz" monatelang gearbeitet, und das Verfahren einzustellen, das hieße ja einzugestehen, dass sie sich sinnlos in etwas verbissen hat.
In etwas verbeißen kann sich auch Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU). Sicherheit zum Beispiel. Die beschäftigt ihn schwer. Und weil Sicherheit auch was mit Müll zu tun hat, stand er vorigen Samstag um Punkt sieben Uhr in der verlotterten Klettpassage unter dem Dauerbaustellen-Hauptbahnhof, um dort Müll zu sammeln. Wer das für eine dröge Angelegenheit hält, dem empfehlen wir in dieser Ausgabe die Lektüre des Artikels "Müll und Männer".
Weniger lustig könnte es am kommenden Samstagnachmittag in der Stuttgarter Innenstadt werden. "Querdenken" und rechte Kreise haben unter dem Motto "Gemeinsam für Deutschland" in mehreren Städten der Republik zu Kundgebungen aufgerufen, in Stuttgart ist eine Versammlung mit 500 Teilnehmer:innen angemeldet. Die Stadt teilt mit, sie prüfe noch, wann und wo das stattfinden kann. Ähnliches gilt für – laut Stadt – "mehrere Gegendemonstrationen". Eine davon dürfte die von "Stuttgart gegen rechts" sein. Dieses Bündnis aus dem Antifa-Spektrum hat sich zur Aufgabe gemacht, ab 14 Uhr den "rechten Aufmarsch zu verhindern".
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2 Kommentare verfügbar
Jue.So Jürgen Sojka
am 25.03.2025Gleich mal mehr Männer aus der Partei CDU, die zum erneuten "Heulen" Platz beanspruchen
https://www.kontextwochenzeitung.de/politik/396/das-heulen-der-…