Manchmal denkt der Mensch sich ja, er lebt in einem Tollhaus. Im Grunde wissen alle, dass es Gesellschaften zerstört, über Menschen aus anderen Ländern zu hetzen, die Klimakatastrophe zu ignorieren und den ungleich verteilten Reichtum einfach laufen zu lassen. Trotz dieses Wissens passiert viel zu wenig, um all diese Bedrohungen abzuwehren. Im Gegenteil.
Ähnlich sieht's bei Stuttgart 21 aus. Dass der unterirdische Bahnhof ein maßlos überteuerter und ökologischer Wahnsinn ist, hat sich mittlerweile weiträumig herumgesprochen. Trotzdem treibt die Politik ihn weiter voran. Und trotz dieser Politik wiederum protestieren Montag für Montag Menschen gegen diesen Unsinn. Und beweisen dabei Humor. Am vergangenen Montag jährte sich der Schwarze Donnerstag zum 14. Mal. An den brutalen Wasserwerfer-Polizeieinsatz vom 30. September 2010 erinnerte der ehemalige Richter Dieter Reicherter in seiner Rede. Im Vorfeld habe er Innenminister Thomas Strobl (CDU) gefragt, was denn die Polizei aus dem Einsatz und dessen Folgen gelernt hätte, erzählte er. Keine Antwort. Doch Hoffnung, sagte Reicherter, habe er aus dem neuen Maßnahmenpaket des Landes "Sicherheit stärken, Migration ordnen, Radikalisierung vorbeugen" geschöpft. Demnach sollen künftig die innere Sicherheit und die Freiheit besser geschützt werden. Habe man etwa begriffen, dass die Polizei damals die Sicherheit und Freiheit der Demonstrierenden mehr als eingeschränkt hat? Auch über die angekündigten zusätzlichen Waffenverbotszonen freut sich Reicherter. Das heiße doch wohl, dass die Polizei demnächst bei Demos nicht mehr in Vollbepanzerung mit Schlagstöcken auftritt. Ja, es braucht Humor, um weiterkämpfen zu können.
Den bringen große Teile der Grünen Jugend nicht mehr auf. Jedenfalls nicht in ihrer Partei. Der Bundesvorstand und mehrere Landesvorstände treten aus der Partei aus, weil sie nicht glauben, dass die sich noch wirkungsvoll und ernsthaft für Klimaschutz einsetzt, und schon gar nicht für soziale Gerechtigkeit. Die Alt-Grünen tun so, als wäre die Flucht der Jugend aus der Partei egal, Grünen-Chef Robert Habeck spricht im Interview mit dem "Deutschlandfunk" sogar von der "Möglichkeit, einen Neustart hinzulegen". Und das meint er wahrscheinlich ernst.
Wie immer ernst meint es auch Theaterregisseur Volker Lösch mit seinem neuen Stück "Geld ist Klasse". Das Besondere: Am Stück beteiligt ist die reiche Erbin Marlene Engelhorn, die 25 Millionen Euro ihres Erbes durch einen Bürgerrat verteilen lässt. Weil ihre Oma das Geld nicht erarbeitet, sondern durch Ausbeutung anderer bekommen hat, sagt sie in Kontext.
Mit 25 Millionen ließen sich eine Menge Schultoiletten sanieren. Die hätten es nötig – wie das gesamte Schulsystem. Toiletten sind "pädagogische Orte", schreibt unsere Autorin. Denn wer die Erfahrung macht, dass der Staat Schulklos über Jahre verkommen lässt, dürfte Probleme haben, diesem Staat Vertrauen entgegenzubringen.
Wer aus anderen Ländern nach Deutschland kommt, weil ihm erzählt wurde, dass hier Fachkräfte super willkommen sind, hat ebenfalls Probleme mit dem Vertrauen in Behörden. Gerade in Stuttgart warten viel zu viele Fachkräfte darauf, dass das Ausländeramt ihre Papiere bearbeitet. Das frustriert, erzählen eine libanesische Architektin und ein armenischer Betriebswirt.
Ganz und gar nicht frustriert ist Joe Bauer. Drei Jahre nachdem in Kontext seine Kolumne über den Laupheimer Emanuel Heilbronner, der vor den Nazis nach Amerika geflohen war, erschienen ist, hat sich nun eine Dame aus den USA bei ihm gemeldet. Sie habe mit dieser Familie zu tun gehabt und er möge sie doch bitte bald kontaktieren, denn sie sei 103 Jahre alt. "Das saß", schreibt Bauer und rief Ann Dobrzack an. Und das ist wirklich eine tolle Geschichte.
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Karl Heinz Siber
vor 2 Tagen