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Große Räder, kleine Rädchen

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Es ist vollbracht. Tage und Nächte voller Trielle, Quad- und Quintrelle von SpitzenkandidatInnen, Generalsekretären und dankenswerterweise nicht auch noch den jeweiligen Haushaltshilfen oder Innenarchitekten sind rum. Jetzt geht die große Rechnerei los, wer da mit wem was tun oder nicht tun will, und wenn die ganze Chose vorbei ist, bleibt zu hoffen, dass nicht alle zukunftsfähigen Beteiligten glattgeschliffen sind wie Flusskiesel. Es gibt so verdammt viel Zeug, das dringend beackert werden muss, und das möglichst zackig.

Aber sind das nicht verlorene Hoffnungen, die auf so einer Bundestagswahl liegen? Lässt sich der Dampfer wirklich drehen, nur weil bestenfalls anderes Personal von den altbekannten LobbyistInnen belagert wird? Philosoph Michael Weingarten formuliert in dieser Ausgabe seine Skepsis gegenüber der großen Politik und den großen Bündnissen, die so sehr auf Kompromisse angewiesen sind, dass die radikale Wende oder der große Wurf dort nicht zu erwarten ist. Für ihn sind es vor allem die zivilgesellschaftlich Engagierten, die die Kraft der Vielen vereinen, um lokal und direkt vor Ort Politik zu machen, nicht abstrakt, sondern konkret, und so ihre kleinen Welten in die richtige Richtung lenken. "Druck von unten statt Phrasen von oben" ist seine Losung. Keiner sagt, dass das einfach ist, aber das vergangene Wahlwochenende hat mit seinen vielen Bürgerentscheiden und Volksabstimmungen bundesweit gezeigt, was möglich ist.

In Berlin hat die Bevölkerung das große Rad gedreht und dafür gestimmt, den Wohnungsbestand großer Immobilienkonzerne in öffentliches Eigentum zu überführen. Aber auch viele kleine Rädchen haben sich bewegt: In Baden-Baden beispielsweise stimmten die EinwohnerInnen mehrheitlich für eine erweiterte Fußgängerzone und gegen Autos auf der Fieserbrücke. In Dettingen lehnten 61,5 Prozent der DettingerInnen das geplante Gewerbegebiet Hungerberg ab und votierten – unter großem Geheule der Wirtschaftsförderung – für den Erhalt grüner Wiese. In Weissach haben die WeissacherInnen dem Neubaugebiet "Am Graben" ein vorläufiges Nein erteilt. Es scheint, als hätten viele Leute den Kanal gerade voll von Wachstum, Verkehr und Baustellen.

Und davon, nicht ernst genommen zu werden. In Geislingen beispielsweise soll die örtliche Klinik dichtgemacht werden, entschied der Kreistag im Mai diesen Jahres. Was das Fass zum Überlaufen brachte bei den GeislingerInnen, die sich sowieso ständig bevormundet fühlen. Also stimmten sie mitsamt ihrem Gemeinderat dafür, ihrem Landrat mal den Mittelfinger zu zeigen und künftig lieber zum Alb-Donau-Kreis statt zum Landkreis Göppingen gehören zu wollen.

Was man im Kleinen, im Lokalen erreichen kann, wenn man will, zeigt auch das Beispiel Karlsruhe, seit Monaten Heimat des wohl unbekanntesten Klimacamps in Deutschland. Die Stadt ist teilweise als Schwamm konzipiert. Regenwasser kann in den Böden gut versickern und könnte in Zukunft gleichzeitig aktiv zur Kühlung der Stadt beitragen.

Manchmal muss man also selbst Hand anlegen. Im wörtlichen Sinne haben das auch die AktionskünstlerInnen des Zentrums für politische Schönheit getan, die sich als "Flyerservice Hahn" ("Zuverlässig. Pünktlich. Preiswert.") der AfD andienten und anboten, deren Wahlkampf-Flyer zu drucken. Haben sie auch. Und fünf Millionen Handzettel subito im Müll entsorgt, bevor sie verteilt werden konnten. Die Demokratie sagt ein herzliches Danke für die hübsche Aktion. Die Klage der Rechtsradikalen wird saftig werden – wer mag, kann hier spenden.


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