KONTEXT:Wochenzeitung
KONTEXT:Wochenzeitung

Kübelei mit Bänkle

Kübelei mit Bänkle
|

Datum:

"Dort oben ist die Behörde in ihrer unentwirrbaren Größe", ließ Franz Kafka seinen Protagonisten im "Schloss" seufzen: "Ich glaubte, annähernde Vorstellungen von ihr zu haben, ehe ich hierher kam, wie kindlich war das alles." Wer Verwaltungsapparate, die notwendigerweise ein unüberblickbares Eigenleben entwickeln, nur aus der Ferne kennt, kann sich glücklich schätzen. Ein Blick ins Innenleben macht hingegen alles nur noch schlimmer. Schließlich sind diejenigen, die mit einer Handlung beauftragt worden sind, in aller Regel selbst ratlos, wie die Entscheidung, auf die sie als letztes Glied einer Kette meist keinen Einfluss haben, genau zustande gekommen ist: "Ich mache hier nur meinen Job."

Was die Mitarbeiter des Stuttgarter Ordnungsamts gesagt haben, als sie ein paar Pflanzenkübel entfernen mussten, die zuvor acht Jahre an Ort und Stelle stehen durften, ist der Redaktion nicht bekannt. Dass sie aber ernsthaft und aufrecht vom Sinn ihres Vorgehens überzeugt waren, ist kaum denkbar. Die Kübel würden, so die Begründung von Amts wegen, Zufahrtswege von Polizei und Feuerwehr behindern. Dass die Anwohnerschaft mit Zollstöcken und Bildbeweis das Gegenteil nachweisen wollte, tat dabei wenig zur Sache. Auch in der Wagnerstraße musste jüngst ein Kübel weichen, ebenso wie eine Sitzbank in der Seyfferstraße, weil dem Amt nach beinahe einem Jahrzehnt auffiel, dass eine private Möblierung des öffentlichen Raums (Bodenpolitik) nicht zulässig sei. Wäre ja noch schöner, wenn in einer Stadt so etwas wie gesellschaftliches Zusammenleben stattfinden dürfte.

Public-Private-Partnerships sind zwar beliebt, wo sich Investoren auf Kosten des Allgemeinwohls bereichern können. Ansonsten ist die Moderne aber von einer strikten Trennung des Öffentlichen und des Privaten gekennzeichnet. Wo Räume für sozialen Austausch schwinden, etwa weil aus Parks Einfamilienhäuser werden, ist die Folge einer immer weiter voranschreitende Atomisierung der Gesellschaft, bis alle Welt nur noch aus Einzelnen besteht. Um der Einsamkeit im Alter entgegenzuwirken, die ein immer gravierenderes Problem für die Bevölkerung darstellt, hat das Land überall in Baden-Württemberg – also in Stuttgart – so genannte "Schwätzbänkle" aufgestellt.

Ein Schild verweist hierbei darauf, dass man sich miteinander unterhalten kann, weil von selbst offenbar niemand mehr auf diesen Gedanken kommt. Und sollten Bürgerinnen und Bürger jedoch einmal aus Eigeninitiative ein paar Sitzgelegenheiten im öffentlichen Raum aufstellen, vielleicht um nett zu plaudern und zu tratschen, während man ein paar Sonnenstrahlen auf der Nasenspitze genießt – dann kann das keinesfalls geduldet werden. Zu diesem Schluss kommt jedenfalls die erratische Bürokratie in der Landeshauptstadt.

Würfeln mit PolitikerInnen

Wen wählen? Da hilft nicht nur der Wahlomat. Am kommenden Freitag gibt in Esslingen das Wahlopoly des DGB Hilfe bei der Wahlentscheidung. Bei diesem politischen Spiel greifen die örtlichen KandidatInnen der größeren demokratischen Parteien zum grünen, schwarzen, roten, rosafarbenen und gelben Hütchen sowie zum Würfel und beantworten Fragen in zwei Minuten. Moderiert wird das Hütchenspiel von Kontext-Redakteurin Gesa von Leesen. Start ist um 19 Uhr im Komma. Und am Sonntag, 12. September um 19 Uhr in der Bastion in Kirchheim.


Gefällt Ihnen dieser Artikel?
Unterstützen Sie KONTEXT!
KONTEXT unterstützen!

Verbreiten Sie unseren Artikel
Artikel drucken


1 Kommentar verfügbar

  • Jue.So Jürgen Sojka
    am 21.09.2021
    Antworten
    Würfeln mit PolitikerInnen – mit?!?
    Würfeln die nicht bereits genug im Umgang miteinander, anstatt nachzudenken um zu plausiblen Entscheidungen zu kommen???
    Haushalt 2022 in BW stärkt Justiz, Schulen und Gesundheitsämter https://up.picr.de/42098675uv.pdf acht veröffentlichte Kommentare mit…
Kommentare anzeigen  

Neuen Kommentar schreiben

KONTEXT per E-Mail

Durch diese Anmeldung erhalten Sie regelmäßig immer Mittwoch morgens unsere neueste Ausgabe unkompliziert per E-Mail.

Letzte Kommentare:






Die KONTEXT:Wochenzeitung lebt vor allem von den kleinen und großen Spenden ihrer Leserinnen und Leser.
Unterstützen Sie KONTEXT jetzt!