Es wäre eine Dystopie: In den kommenden vier Jahren seiner Amtszeit hebelt Donald Trump die Demokratie aus und errichtet einen autoritären Staat. Währenddessen gewinnt die AfD in Deutschland Schritt für Schritt die Gunst der deutschen Wähler:innen, 2029 erhält sie über 30 Prozent und was im Jahr 2033 passiert, ist schon heute in Geschichtsbüchern zu lesen.
Zugegeben, das ist ein Worst-Case-Szenario. Doch auszuschließen ist es nicht. Die Wahl in den USA zeigt, dass eine Mehrheit der Wähler:innen lieber einen verurteilten Straftäter, der Pornostars mit Geld zum Schweigen bringt, eine Wahlniederlage nicht eingestehen will und deshalb zum Sturm auf das Kapitol in Washington aufruft, als eine schwarze Frau an der Spitze der größten Weltmacht sehen will. Selbst bei der lateinamerikanischen Wählerschaft war Trump fast so beliebt wie Harris, obwohl er immer wieder gegen Migration wetterte und "Massendeportationen" versprach. Das verstehe, wer will.
Eher nachvollziehbar: Die Inflation und die Hoffnung auf wirtschaftlichen Aufschwung. Kaum war der Wahlsieg Trumps verkündet, sprangen am Aktienmarkt die Kurse von US-Firmen in die Höhe. Im Vertrauen auf eine goldene Zukunft, die der President-elect verspricht. Vernunft und Rationalität sind untergeordnete Kategorien – es zählt der Glaube an eine gottähnliche Führungsfigur. Nüchtern betrachtet wird Trumps Neomerkantilismus, also der Glaube, dass Einfuhrzölle auf ausländische Produkte die Wirtschaft stärken würden, nicht funktionieren, weil er dadurch einen umgekehrten Prozess in Gang setzen wird. Wichtige Handelspartner wie China oder Europa werden nicht zögern, Waren aus den USA ebenfalls mit Zöllen zu belegen. Aber warum Fakten zur Kenntnis nehmen, wenn jemand das Paradies verspricht?
Und die AfD reibt sich die Hände
Zeitgleich mit Trumps Wahlsieg kommt der Abgang der Ampel-Koalition mit Pauken und Trompeten. Was ist das für ein Signal an die Bevölkerung, wenn sich drei demokratische Parteien nicht auf einen Minimalkurs einigen können? Die AfD steht daneben und reibt sich die Hände ob jenes unwürdigen Schauspiels, schaut genüsslich zu, wie sich die "Altparteien" der Regierung zerfleischen. Dass drei AfD-Parteigänger wegen ihrer Mitgliedschaft bei der rechtsextremen Terrorgruppe "Sächsische Separatisten" festgenommen wurden, geht in dem Tumult der vergangenen Woche unter.
Nun hinkt ein Vergleich zwischen den USA und Deutschland immer. Dort ein präsidentielles Mehrheitswahlsystem mit zwei dominierenden Parteien, hier eine pluralistische Parteienlandschaft mit parlamentarischem Verhältniswahlsystem und ohne dem Prinzip "the winner takes it all". Doch es ist unübersehbar: Der Riss zwischen zwei Lagern vergrößert sich auch in Deutschland. Hier das Lager der Anti-Establishment-AfD, das über eine extrem rechte Gesinnung hinwegsieht oder sie sogar teilt, und dort das Lager der Demokrat:innen, das in sich ebenfalls heterogen ist.
Angenommen das eingangs geschilderte Szenario bewahrheitet sich, Rechtsradikale sind hier wie dort an der Macht. Wer holt Europa dann wieder zurück in die Demokratie, wenn nicht die USA? Wladimir Putin oder Xi Jinping? Eine beunruhigende Vorstellung. Umso mehr müssen wir selbst für unsere Demokratie kämpfen: laut sein gegen rechtsextremes Gedankengut, dem immer wieder widersprechen. Und die demokratischen Parteien müssen wieder lernen, Politik für den Großteil der Gesellschaft zu machen, und bei Zuwiderhandeln im Sinne des Bedienens von Klientelinteressen (FDP) sofort bestraft werden. Und für die USA, der am längsten bestehenden Demokratie der Welt, bleibt zu hoffen, dass sie resilient genug ist, nochmals einen Präsidenten Trump zu überleben. Danach könnten wir darauf hoffen, dass er zusammen mit Elon Musk zum Mars entschwindet.
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