Wieder einmal ist Deutschland "bunt statt braun" und voller Lichterketten. Journalist:innen der Rechercheplattform "Correctiv" hatten am 10. Januar ein Geheimtreffen aufgedeckt, auf dem Vertreter:innen der AfD und der CDU sich mit führenden Neonazis und Unternehmern trafen. Ihr Thema: Ein "Masterplan", um Menschen nicht-deutscher Herkunft nach ihrer Machtergreifung "endlich im großen Stil abzuschieben". Entschuldigung, "im großen Stil abschieben" ist natürlich die völlig faschismus-unverdächtige Forderung unseres SPD-Bundeskanzlers, bezogen auf die absolut rechtsstaats-konforme Säuberung Deutschlands von abgelehnten Asylbewerber:innen. Neonazi Martin Sellner schwadronierte auf dem Geheimtreffen stattdessen davon, "die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln" und meint damit auch noch die, die deutsche Pässe haben.
"Ich bin echt überrascht, dass Menschen in Deutschland überrascht sind, dass Faschisten faschistische Dinge planen", wundert sich Tareq Alaows, der aus Syrien geflohene flüchtlingspolitische Sprecher von ProAsyl, der am Sonntag auch die Großdemonstration in Berlin moderierte. Und in der Tat hätte es keine Investigativ-Recherche gebraucht, um die Inhalte dieses Treffens ans Tageslicht zu fördern: Bereits in einem 2018 erschienenen Gesprächsband hatte AfD-Führer Björn Höcke ein "großangelegtes Remigrationsprojekt" unter Zuhilfenahme "wohltemperierter Grausamkeit" herbeifantasiert. Überraschend ist aber nicht nur die Empörung, sondern auch die Zusammensetzung der Proteste: Bereits am Montag nach der Veröffentlichung gab sich ausgerechnet Abschiebekanzler Olaf Scholz auf der Großdemonstration des Bündnisses "Potsdam bekennt Farbe" die Ehre. Begleitet wurde er von Annalena Baerbock, die zuletzt die migrationsfeindliche Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gegen ihre eigene Basis durchregiert hatte, und von Jan Redmann, dem Fraktionschef der CDU Brandenburg, der noch kurz zuvor einen Vizeposten für die AfD im Präsidium des Bundestages gefordert hatte.
Keine Einheitsfront gegen rechts
(Post-)Migrantische Gesichter und Organisationen sind indes auf den Demos, selbst im sonst so "bunten" Berlin, spärlich gesät. Vielleicht, weil es sich zwischen SPD und Grünen derzeit nicht gut gegen geplante Massenabschiebungen demonstrieren lässt, nur wenige Tage nachdem diese ein weiteres Gesetz "zur Verbesserung der Rückführung" unerwünschter Ausländer:innen beschlossen haben. Vielleicht, weil die weitreichenden Demonstrationsverbote und der islamophobe Antisemitismusdiskurs der vergangenen Wochen ihre Spuren in den größten, nicht-biodeutschen Communities hinterlassen haben. Vielleicht auch, weil sich die (exklusiv deutschsprachige) Rhetorik der jüngsten Protest-Aufrufe mehr um unsere Demokratie zu Sorgen scheint als um die Menschen, die konkret vom "Masterplan" der Faschist:innen betroffen wären. Meine arabisch-deutschen Freund:innen fühlen sich jedenfalls nicht erst seit dem 10. Januar – und nicht nur von der AfD – in ihren Grundrechten und Freiheiten bedroht.
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Peter Nowak
am 28.01.2024