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Die Linke

Nicht bei den Wagenknechten

Die Linke: Nicht bei den Wagenknechten
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Ein Jahr lang beschäftigte der Streit in der Linken mehr oder weniger die politische Szene. Endlich, im November, erklärte Sahra Wagenknecht, dass sie einen Verein gründet, der eine Partei gründen soll.

Damit klar ist, wem potenzielle Anhänger:innen die Treue halten sollen, heißt der Verein "Bündnis Sahra Wagenknecht – für Vernunft und Gerechtigkeit". Zehn Bundestagsabgeordnete folgten ihr, die Fraktion in Berlin musste sich auflösen, die Anträge von Rest-Linken und BSW auf Anerkennung als Gruppe laufen derzeit.

Dass die ausgetretenen Abgeordneten ihr Mandat nicht zurückgeben, das sie durch "Die Linke" bekommen haben, ärgert manche. Andere prominente Parteienwechsler handelten anders. Als zum Beispiel Otto Schily bei den Grünen aus- und in die SPD eintrat, legte er am 2. November 1989 sein Bundestagsmandat nieder. Ingrid Matthäus-Maier trat aus Ärger über den Bruch der sozial-liberalen Koalition 1982 bei der FDP aus, legte ihr Mandat nieder und wechselte zur SPD. Die meisten Parteiwechsler:innen allerdings – und es waren viele seit 1949 – behielten ihre Bundestagssitze und damit ihre beachtlichen Diäten, aktuell 10.591,70 Euro brutto, die diversen Pauschalen für Personal und Büro noch nicht eingerechnet.

Während in vielen Medien nun über das Ende der Partei Die Linke gemunkelt wird, verbreitet die Partei Optimismus. Selbst der baden-württembergische Landesverband, der es noch nie in den Landtag geschafft hat, schaut frohgemut aufs neue Jahr, in dem Europa- und Kommunalwahlen anstehen. "Seit das Bündnis Sahra Wagenknecht sich öffentlich gegründet hat, haben wir etwa 220 Eintritte und 40 bis 50 Austritte", erklärt Sarah Mirow, Landeschefin der Linken. Damit liege der Landesverband nun bei 3.600 Mitgliedern.

Ausgabe 650, 13.09.2023

Warten auf die Messia

Von Gesa von Leesen

Gründet sie oder gründet sie nicht? Gibt es bald eine Wagenknecht-Partei? Die Spekulationen und Streitereien innerhalb der Linken sind nicht nur nervig, langsam wirkt das Ganze auch erbärmlich.

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Allerdings ist auch Mirow, Gemeinderätin in Heidelberg, verärgert, dass die ausgetretenen Linken-Abgeordneten ihr Mandat nicht zurückgegeben haben. Ihr Landesverband muss auf die Reutlinger Bundestagsabgeordneten Jessica Tatti verzichten. Wichtig ist Mirow: "Es sind keine ganzen Kreisverbände weggefallen." Zwar musste Reutlingen ordentlich bluten – dort traten auch ein paar Gemeinde- und Kreisräte aus der Linken aus –, wichtig aber sei: "Die Leute haben Bock auf Wahlkampf."

Rüdiger Weckmann, der Vorsitzende des Linken-Kreisverbandes Reutlingen, ist noch etwas zwiegespalten. Einerseits motiviert, andererseits schwer enttäuscht von Tatti und deren Mit-Ausgetretenen. "Ich habe die Jessica 12, 13 Jahre lang unterstützt." Auch dass nun andere ehemals gute Mitstreiter weg sind, sei bitter. Andererseits: Im ablaufenden Jahr sei der Kreisverband vor lauter Streiterei gelähmt gewesen, das werde sich nun ändern, ist der Rentner überzeugt.

Am meisten ärgert ihn, dass die Wagenknecht-Anhänger:innen und damit auch Tatti dauernd erzählen, "dass wir uns an den Grünen orientieren und weit weg von den einfachen Leuten seien. Das war und ist nicht so!" Ob im Kreistag oder in Gemeinderäten – sie hätten sich immer um die sozialen Themen gekümmert, um Wohnungsbau und ja, auch um Solidarität mit Flüchtlingen. "Das scheint ja nicht mehr so deren Überzeugung zu sein." Der einstige Sozialarbeiter ist überzeugt: "Unsere Arbeit in den Gremien hat dafür gesorgt, dass das Soziale mehr im Fokus sind. Die Linke ist in Reutlingen ein politischer Faktor."

Wenn Weckmann durch sie Stadt laufe, werde er ab und an angesprochen auf das neue Bündnis. Da habe er öfter gehört: "Gut, dass du nicht bei den Wagenknechten bist."

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