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Stuttgart-21-Mehrkostenklage

Das wird dauern

Stuttgart-21-Mehrkostenklage: Das wird dauern
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Stuttgart 21 wird teurer und teurer. Doch weil der Finanzierungsvertrag zum Großprojekt ein unfassbar stümperhaftes Konstrukt ist, werden Gerichte noch viele Jahre an der Frage zu knabbern haben: Wer soll das eigentlich bezahlen?

Offiziell will die Deutsche Bahn den neuen Stuttgarter Tiefbahnhof noch immer Ende 2025 eröffnen. Das könnte möglicherweise nichts werden, wie Anfang Dezember durchsickerte. Genau wie die Nachricht, dass das Projekt schon wieder teurer wird. Letzteres konkretisierte sich am 19. Dezember, als der Aufsichtsrat der Bahn laut Presseberichten die Stuttgart-21-Projektpartner über den neuen Stand informierte: Nach bislang rund 9,8 Milliarden Euro rechne man nun mit einem "Gesamtfinanzierungsrahmen" von 11,453 Milliarden, inklusive eines noch nicht genau bezifferten Risikopuffers.

Ausgabe 645, 09.08.2023

Kostenkaskaden und Verjährungsfragen

Von Oliver Stenzel

Ist die Klage der Bahn gegen ihre Stuttgart-21-Projektpartner am Ende schon verjährt? Auch darum ging es am zweiten Verhandlungstag, außerdem um abstrakte Milliardenbeträge und sehr konkrete Mängel des 2009 geschlossenen Finanzierungsvertrags.

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Wer das alles mal zahlen soll, ist indes noch ungewiss. Darüber wird seit 2023 vor Gericht gestritten. Bereits Ende 2016 – da lagen die prognostizierten Gesamtkosten bei läppischen 6,5 Milliarden – strengte die Bahn eine Klage gegen ihre sogenannten Projektpartner an: Das Land Baden-Württemberg, die Stadt Stuttgart und der Verband Region Stuttgart sollten sich an den damals nur zwei Milliarden Euro umfassenden Mehrkosten für S 21 beteiligen. Dummerweise hatten die Partner im Finanzierungsvertrag von 2009 vergessen, klar zu regeln, wie denn die Kosten verteilt werden sollen, wenn sie die vertraglich geregelten 4,5 Milliarden übersteigen. Stattdessen war der Plan, dass die Projektpartner in diesem Fall "Gespräche aufnehmen", weswegen besagter Absatz auch "Sprechklausel" genannt wird. Schlappe sechseinhalb Jahre nach Klageerhebung wurde die Bahn-Klage dann am 8. Mai 2023 im Verwaltungsgericht Stuttgart erstmals verhandelt, zwei weitere Termine schlossen sich im Laufe des Jahres an (Kontext berichtete hier, hier und hier).

Die Frage, wie denn nun jene "Sprechklausel" zu interpretieren sei, nahm erwartungsgemäß viel Raum ein und führte zu bisweilen kafkaesken Interpretationsversuchen. Geklärt werden konnte sie noch nicht, ebenso wenig die Frage, ob die ganze Chose nicht vielleicht schon verjährt ist. Klar ist bislang nur, was für ein unfassbar stümperhaftes Konstrukt dieser Vertrag ist, auf dessen Basis nun seit 2010 in und um Stuttgart gebuddelt wird.

Das Ganze wird noch dauern, der Vorsitzende Richter Wolfgang Kern geht fest davon aus, dass der Fall durch mehrere Instanzen gehen wird – was wohl mehrere Jahre dauern dürfte. Und vielleicht beeilte sich das Verwaltungsgericht auch deshalb nicht allzu sehr. Gleich zweimal wurde der geplante vierte Sitzungstermin verschoben, nun wird er irgendwann im neuen Jahr sein. Muss wohl mit dem Streitgegenstand zu tun haben, dass immer alles länger dauert.

Doch selbst wenn das Stuttgarter Verwaltungsgericht im Sinne der Bahn entscheidet, kann sich die noch nicht unbedingt freuen. Denn das Gericht entscheide nur, sagte Kern, ob die Bahn einen Anspruch habe, vom Land und den anderen Projektpartnern an die Mehrkosten angepasste Zahlungen zu verlangen. Es entscheide nicht, welche konkreten Zahlungen die Projektpartner tatsächlich an die Bahn zu leisten haben – das müssten jene dann unter sich ausmachen. Oder von einem anderen Gericht klären lassen.

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4 Kommentare verfügbar

  • M. Schenk
    am 28.12.2023
    Antworten
    Der Autor ist der Ansicht, dass der "Finanzierungsvertrag zum Großprojekt ein unfassbar stümperhaftes Konstrukt ist", begründet dies aber leider nicht.

    Der einzige Passus, den er hier zitiert, ist die Formulierung in §8(4), dass im "Falle weiterer Kostensteigerungen [...] die EIU und das Land…
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