Wälder brennen, die Nürnberger Innenstadt steht derart unter Wasser, dass nur noch Autodächer zu sehen sind, Hagelkörner wie Tennisbälle erschlagen in Bayern Störche und Katzen. Und so weiter und so fort. Niemand mit Verstand kann bestreiten, dass der menschengemachte Klimawandel vor der Deutschen Haustür angekommen ist, dass globale Realitäten selbst düstere Szenarien übertreffen. Und dass zu viel Weiter-So und zu wenig Veränderungsbereitschaft in die gewaltigen Katastrophen münden werden, vor denen der Club of Rome vor mehr als einem halben Jahrhundert zum ersten Mal gewarnt hat.
Eine einzige Partei in der Bundesrepublik Deutschland kann für sich in Anspruch nehmen, von Anbeginn ihres Daseins an "der Ausbeutung der Natur und des Menschen durch den Menschen" entgegentreten zu wollen. Das erste grüne Programm von 1980 beschreibt viele bis heute diskutierte gute Absichten: von der "ökologischen Buchhaltung", die die realen Kosten von Verhalten und Produktion berechnet, bis zur optimalen Förderung und Nutzung des jeweils die Umwelt am wenigsten belastenden Verkehrsmittels. Aber Weitsicht ist kein Erfolgsgarant.
Dabei kommen zur breiten Verankerung in den Regierungen von Bund und Ländern und auch in sehr vielen Kommunen 126.000 Mitglieder hinzu, davon mehr als 15.000 in Baden-Württemberg. Von deren Durchschnittsalter (48 Jahre) kann die Konkurrenz nur träumen, beispielsweise die CDU des Friedrich Merz mit 61. Angesichts der vielen Hiobsbotschaften aus allen Ecken dieser Welt könnten respektive müssten diese Mitglieder unentwegt und mit Aussicht auf Gehör trommeln und für die Einsicht werben, dass im Kampf gegen die Erderwärmung endlich wirklich mehr geleistet werden muss. Stattdessen: viel Klein-Klein und die aufreibenden Fingerhakeleien nicht nur mit einem Christian Lindner (FDP), sondern längst in den eigenen Reihen, und dazu diese geradezu kleinmütige Verunsicherung.
Vom Grünen Schwarz kommen nur Formeln
Ein Praxistest findet am vergangenen Montagvormittag in einer Stuttgarter Event-Location statt. Die beiden Chefs der Regierungsfraktionen im baden-württembergischen Landtag, Andreas Schwarz (Grüne) und Manuel Hagel (CDU), haben zu ihrer Halbzeitbilanz der Legislaturperiode geladen. Schwarz, der lange Kerl mit der Leidenschaft für Rennradfahren und formelhafte Sprache, lobt die Zusammenarbeit und das Tempo ("Wir haben Baden-Württemberg vorangebracht"). Er wagt einen Ausblick auf das Land im Jahr 2030, sagt aber von sich aus nichts Lobendes über seine Abgeordneten, die Minister:innen oder die Parteispitze und schon gar nichts dazu, dass der Vorsitzendenkollege Hagel gerade versucht, in der Kretschmann-Nachfolge-Debatte Nägel mit Köpfen zu mache. Per Interview hat der künftige starke Mann der Südwest-CDU in den vergangenen Wochen mitgeteilt, dass seine Fraktion einen fliegenden Wechsel von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu wem auch immer während der Legislaturperiode doch nicht mittragen wird. Es sei "keine Option", lautete die Botschaft, einen neuen Regierungschef aus den Reihen der Grünen "aus Gründen des reinen grünen Machterhalts" im Landtag mitzuwählen. Andreas Schwarz ist nicht einmal bereit, mit diesem einen zentralen Satz aus dem Koalitionsvertrag gegenzuhalten: "Bündnis 90/Die Grünen stellen den Ministerpräsidenten."
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Philippe Ressing
am 06.09.2023