Das Tragische an der neuen digitalen Welt ist, dass die Unternehmen heute keine Arbeiterschaft mehr zu befürchten haben, die sich gegen solche Zumutungen wehrt. So ist auch im Vorwort des erwähnten Sammelbands "Zukunft der Arbeit in Industrie 4.0" eine Einsicht zu lesen, die alarmierend ist: "Wenn früher 'Die Weber' ohnmächtig kämpften und später in England noch die 'Maschinenstürmer' drastisch Entwicklungen zu verhindern suchten, so prägen heute konstruktive Debatten um die Zukunft von Arbeit im digitalen Zeitalter die Auseinandersetzung zwischen den Sozialpartnern." Schlimm, wenn die Schicksalsergebenheit des modernen "Humankapitals" auch noch als lobenswerter Fakt daherkommt.
Die Gewerkschaften wollen auf keinen Fall Bremser sein
Die Gewerkschaften kennen alle diese Diskussionen um die Industrie 4.0 und verlangen deshalb die "Arbeit 4.0". Sie erinnern mahnend an die Folgen für ihre Klientel, <link http: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft mensch-oder-roboter-4034.html internal-link-new-window>so wie Julia Friedrich vom DGB das in Kontext (Ausgabe 302) getan hat. Ihre eigene Rolle sehen sie darin, "im Interesse der Beschäftigten" zu gestalten, wie es in dem Artikel heißt. Keinesfalls möchte man als Bremser wahrgenommen werden oder gar so handeln. Denn ein Erfolg der deutschen Industrie soll die Grundlage für eine neue Sozial- und Arbeitspolitik bieten. Das stellt etwa Verdi-Chef Frank Bsirske im Handbuch "Gute Arbeit" von 2016 klar: "Die entscheidende Aufgabe der bevorstehenden Jahre besteht darin, die gewaltigen Zugewinne an Produktivität und Reichtum, die durch den digitalen Umbruch möglich werden, zur Förderung solcher Dienstleistungen in gesellschaftlichen Bedarfsfeldern zu nutzen – nicht nur um Arbeitsplätze zu schaffen, sondern auch, um humanen, sozialen, ökologischen Fortschritt zu ermöglichen." So wird der Industrie 4.0 grundsätzlich zugestimmt.
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall und Constanze Kurz, Leiterin seines Ressorts Zukunft der Arbeit, verlangen im gleichen Handbuch, dass bei aller Profitproduktion auch "gute" Arbeitsplätze für die Lohnabhängigen abfallen müssten. Dieser gesellschaftliche Nutzen, an dem die Gewerkschaften die Industrie 4.0 messen wollen, ist dann auch die objektive Grenze ihrer Intervention. Denn erfolgreich soll die Industrie sein – mit Hilfe der Arbeitnehmervertreter, die Industriearbeit flexibler und mobiler machen, die schlimmsten "Auswüchse" aber verhindern wollen. Bei IGM-Chef Hofmann liest sich das so: "Nur wenn IG Metall, Betriebsräte und Beschäftigte die Arbeitswelt der Zukunft mitgestalten, wird die industrielle Wertschöpfung hierzulande human und nachhaltig profitabel, statt rein profit- und technikzentriert sein." Ihr erklärtes Ziel ist es, "Industrie 4.0" zu einer "Erfolgsstrategie für Unternehmen und Beschäftige" zu machen.
2 Kommentare verfügbar
M. Stocker
am 06.02.2017In erster Linie ist Industrie 4.0 ein gelungener Marketing-Gag der deutschen Maschinenbau-Industrie, die auf einmal so tut, als hätte es in den letzen 30 Jahren keine Automatisierung…