Auch Maaßen, von 2012 bis 2018 Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, scheint sich auf den rechten Weg begeben zu haben. In der Wochenzeitung "Junge Freiheit", einst ein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, lamentierte das CDU-Mitglied über "Loyalitäts- und Demutsbekundungen" möglicher Merkel-Konkurrenten auf dem CDU-Parteitag in Leipzig im November 2019. Im Vortragssaal der "Bibliothek des Konservatismus" in Berlin beklagte Maaßen im Dezember 2019: "Staat kümmert sich lieber um Gender und Klima statt um Sicherheit". Träger der "Bibliothek des Konservatismus" ist die "Förderstiftung konservative Bildung und Forschung" (FKBF). Sowohl Bibliothek als auch Förderstiftung zählen zum Netzwerk der Neuen Rechten.
Antikommunistische Radiobeiträge
Auf rechten Pfaden wandelte auch der 1914 geborene und 1997 verstorbene Verfassungsschützer Friedrich Ernst Berghoff , der von 1961 an mehr als ein Dutzend Jahre in leitenden Positionen im Bundesamt für Verfassungsschutz tätig war. 1932 trat Berghoff in die Hitlerjugend und 1934 in die NSDAP ein. Tätig war er unter anderem für die Propagandazeitschrift "Die Wehrmacht". Bis 1945 war der Offizier der Wehrmacht unter anderem Kompaniechef und Führer eines Pionierbataillons. Nach 1945 verfasste Berghoff unter seinem Pseudonym Hendrik van Bergh antikommunistische Rundfunkbeiträge und Hörspiele. Arbeitgeber von Berghoff wurde die Bundeswehr. Dort hatte er den Rang eines Oberstleutnant im PSV-Bataillon Andernach tätig; PSV steht für Psychologische Verteidigung.
1961 richtete das BfV erstmals eine eigene Stelle für Öffentlichkeitsarbeit ein, die mit Berghoff besetzt wurde. Diese Funktion hatte Berghoff bis 1974 inne. "Während das Referat Öffentlichkeitsarbeit die Gefahr ... des Linksradikalismus fortlaufend thematisierte, stellte es den Rechtsradikalismus in den 1960er Jahren als eher marginales Problem dar", so die Wissenschaftler Constantin Goschler und Michael Wala, die die NS-Vergangenheit des BfV 2015 untersucht haben. Dementsprechend wenig hielt Berghoff von Bestrebungen, die damals in mehrere Landtage eingezogene NPD zu verbieten. Als Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung hielt Berghoff die vermeintlich propagandistische Diskreditierung der Bundesrepublik als Hort alter und neuer Nazis, hinter der kommunistische Umtriebe vermutet wurden. In seinem 1964 als Hendrik van Bergh erschienenen Buch "ABC der Spione" unternahm der Verfassungsschützer den Versuch einer Rehabilitierungskampagne für ehemalige Mitarbeiter mit SS- und Gestapo-Vergangenheit, die das BfV aufgrund öffentlichen und medialen Drucks hatte kurz zuvor entlassen müssen.
1981 veröffentlichte Berghoff als van Bergh das Buch "Köln 4713. Geschichte und Geschichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz". In diesem "ersten umfassenden, authentischen und kritischen Bericht über den zivilen Abwehrdienst der 2. deutschen Republik" gab der ehemalige Verfassungsschützer kund: "Die Hauptgefahr geht heute fraglos vom Kommunismus und seinen Spionageorganisationen aus. Deutschland war schon immer ein bevorzugtes Ziel für die Kommunisten, da es wegen seiner geographischen Lage und wirtschaftlichen Bedeutung den Plänen einer Weltrevolution besonders entgegenkam." Im Jahr zuvor waren bei einem rechtsterroristischen Attentat auf das Oktoberfest in München 13 Menschen ums Leben gekommen und 211 verletzt worden, 68 davon schwer. Dieser bis heute schwerste Terrorakt in der Geschichte der Bundesrepublik scheint Berghoff in seiner politischen Anschauung nicht irritiert zu haben. Er hält unbeirrt an seinem antikommunistischen Feindbild fest und orakelt über einen kommunistischen Umsturz in der Bundesrepublik.
Als Pensionär offen rechtsextrem
Nach seiner Pensionierung konnte Berghoff unter seinem Alias-Namen Hendrik van Bergh unumwunden offen rechtsextrem agitieren. Sein Pseudonym taucht als Autor in mehreren vom Verfassungsschutz beobachteten einschlägigen Zeitschriften und Verlagen auf. 1987 erschien in Sondernummern der rechtsextremen Zeitschriften "Nation Europa" und "Deutsche Monatshefte" ein Artikel von ihm mit dem Titel "Der Geist von Spandau". Anlass der Sondernummern war der Tod von Führerstellvertreter Rudolf Heß, der am 17. August 1987 Suizid im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau begangen hatte. "Bergh" hält den Alliierten vor, sie hätten in der Behandlung von Heß ihre "historische Unschuld verloren". Er schreibt: "Nemesis, Göttin der Rache, duldet nicht, wenn Angeklagte sich als Ankläger und Richter aufspielen. Die Vergangenheit ist noch nicht beendet."
Auf "vielfachen Wunsch unserer Leser und Bezieher [würdigen wir] Leben und Leiden von Rudolf Heß", teilten die Redaktionen den LeserInnen der Sondernummern mit. Die NS-apologetischen Broschüren verstanden sich als "eine Anklage gegen die Verantwortlichen für Spandau". "Nation Europa" und "Deutsche Monatshefte" wurden zum Zeitpunkt des Erscheinens der Sondernummern namentlich in diversen Jahresberichten des Verfassungsschutzes aufgeführt. In dieser Zeit wurde auch von Alt-und Neonazis die Mär vom Mord der Alliierten an Heß geboren. Noch heute marschieren Neonazis um den Todestag von Heß im August auf und schreien lautstark "Rudolf Heß. Es war Mord". Ein Nachdruck des Artikels "Der Geist von Spandau" erschien 1998 in dem Neonazi-Skinzine "White Unity" aus dem niedersächsischen Bienenbüttel.
Berghoff griff auch für die rechtsextreme Zeitschrift "Deutsche Geschichte" zur Feder. Dort vertrat er 1994 die Auffassung, dass der Zweite Weltkrieg "noch nicht zu Ende" sei: "Der Krieg begann um und in Polen. Die ungelöste Frage der Westgrenze Polens steht auf der Tagesordnung."
Bücher veröffentlichte Berghoff als "Bergh" in den rechtsextremen Verlagen "Türmer" und "Vowinckel" des Verlegers Gert Sudholt. Die Machwerke tragen bezeichnende Titel wie "Die rote Springflut. Von der Oktoberrevolution zur Eroberung Osteuropas". Der einschlägig verurteilte und knasterfahrene Sudholt ist Ziehsohn von Helmut Sündermann, einst stellvertretender
Pressechef der NS-Reichsregierung und Hauptschriftleiter der "Nationalsozialistischen Parteikorrespondenz". In den achtziger Jahren schrieb Berghoff mehrere Artikel für die ebenfalls von Sudholt herausgegeben "Deutschen Monatshefte".
Erinnert an "South Africa's own Himmler"
Zu den Autoren der "Deutschen
Monatshefte" gehörten unter anderem Fritz Hippler, einst NS-Reichsfilmintendant, und Werner Kuhnt, vormals Reichstagsabgeordneter der NSDAP. Hippler war einer der Organisatoren der "Verbrennung undeutschen Schrifttums" und verantwortlich für die Gestaltung des
antisemitischen Pseudo-Dokumentarfilms "Der ewige Jude". Der Film vergleicht Juden mit Ratten und führt Ghettobewohner aus dem polnischen Lodz als "Untermenschen" vor. Heinrich Himmler, Reichsführer SS, hatte am 30. September 1940 die Anweisung gegeben: "Ich ersuche Vorsorge zu treffen, dass die gesamte SS und Polizei im Laufe des Winters den Film 'Jud Süß' zu sehen bekommt".
Wieso Berghoff den Namen Hendrik van Bergh als Alias annahm, kann nur gemutmaßt werden.
Fakt ist, dass es im Apartheidstaat Südafrika einen Hendrik van den Bergh als Realperson gab. Der südafrikanische Ex-Geheimdienstchef Hendrik van den Bergh, ebenfalls Jahrgang 1914 wie der Verfassungsschützer Berghoff, war der Gründer des Bureau of State Security (B.O.S.S.), des ersten Nachrichtendienstes Südafrikas. B.O.S.S. war für die brutalen Übergriffe des rassistischen Regimes auf Andersdenkende und Schwarze verantwortlich. In den Sechziger- und Siebzigerjahren galt der Südafrikaner van den Bergh als einer der meist gefürchtetsten Männer seines Landes. Die einstige südafrikanische Progressive Party (Africaans: Progressiewe Party) bezeichnete van den Bergh als "South Africa's own Heinrich Himmler".
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