Die betagte faltenreiche Dame Baden-Baden hatte, wie jede Lady, auch ihre wilderen Zeiten und selbst die Belle-Epoque-Witwe mit dem eleganten Äußeren des romantischen Jahrhunderts hatte 1968 eine Studentenbewegung, ja, die APO tummelte sich auch zwischen Kolonnaden und Spielcasino, freilich, die einen haben es verdrängt und die anderen haben es erst gar nicht bemerkt.
1968 gab es dort einen Buchhändler, der dafür sorgte, dass Jugendliche, sofern sie den Ort noch nicht geflohen hatten, abends nicht grübeln mussten, wo an der Oos was los sei - allabendlich gab es "Teach-Ins" und die Lehrer hießen Günter Amendt oder Rudi Dutschke oder Ulrike Meinhof. Ich weiß nicht, wie es der so liebenswürdige, der hochgewachsene blonde Buchhändler Bernhard W. Wette geschafft hat, nahezu jeden Unruhegeist aus Berlin oder Frankfurt in das Städtchen zu locken, in dem man sonst eher das Geruhsame suchte und fand.
Nein, nicht der böse Rotfunk "auf der Funkhöhe" oder gar das Fernsehen dort oben mischten unten im Tal auf, all diese sonderbaren Gäste hatte allein dieser Bücherfreund herbeigezaubert, etwa zu Veranstaltungen im "Löwen" in Lichtenthal, wo von Brahms oder Stolz (Robert) keine Rede war und kein Ton, statt dessen etwa von diesem bürgerschrecklichen Günter Amendt und seiner "Sexfront". Dem Amendt ging es nicht nur um Befreiung von Schul-Fron, Eltern-Druck und übler Adenauer-Last, sondern an anderen Tagen ging es im "Löwen" auch um Berliner Kommunarden wie Teufel, Kunzelmann und das schöne Fräulein Obermeier und dann auch um Beate Klarsfeld, jene "Watschen-Beate", die den Kanzler der Großen Koalition öffentlich und schlagartig an seine Nazi-Vergangenheit im Reichs-Außenministerium erinnert hatte.
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invinoveritas
am 13.08.2015