Schulen, eine Stiftung, Plätze und Straßen im ganzen Land sind nach ihm benannt, und am Stuttgarter Königsbau ist ihm ein mannshohes Bronzerelief von Alfred Hrdlicka gewidmet, das ihn als einsames, betendes, gefesseltes Opfer unterm Galgen zeigt. Eugen Bolz war ein aufrechter Mann mit Prinzipien – und mit vielen Facetten: ein konservativer, zuweilen elitär, aber auch sozial denkender Demokrat mit einer hohen Auffassung von Staat und Moral, von Recht und Ordnung. Und zugleich ein Pragmatiker, dem es als Politiker bei aller Grundsatztreue um einigermaßen menschengerechte Verhältnisse ging: "Nicht das, was sein sollte, sondern das ist die große Frage: Was ist politisch möglich und erreichbar, und auf welchen Wegen ist es zu erreichen?"
Seine eigentliche Tragik habe darin bestanden, "dass er vom ersten Tag an das Unheil kommen sah und doch nicht helfen konnte". Das sagte Gebhard Müller, der neun Jahre nach Kriegsende Ministerpräsident des neuen Bundeslands Baden-Württemberg und später Präsident des Bundesverfassungsgerichts werden sollte. Da sind Zweifel angebracht. Hätte Bolz tatsächlich vorausgesehen, welches Unheil der Hitlerfaschismus über die Welt bringen würde, hätte er noch 1932 wohl kaum an seine Frau Maria geschrieben: "Mein Eindruck über Hitler war ein besserer, als ich vermutete. Seine Äußerungen waren konsequent und klar, und seine Auffassungen decken sich im Allgemeinen weitgehend mit den unseren." Hätte sich ferner wohl dem Fraktionszwang seiner Zentrumspartei, des politischen Arms des deutschen Katholizismus, widersetzt und am 24. März 1933 im Reichstag doch nicht für Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt. Und hätte wohl auch Jahre später, im Kreis der Verschwörer um den Leipziger Oberbürgermeister Carl Goerdeler, seine staatsphilosophisch wie religiös begründeten Bedenken gegen den Tyrannenmord zurückgestellt.
Über viele Jahre stand für den Juristen Bolz wie für viele andere Bürgerliche, so sein Biograf Frank Raberg, "der Hauptfeind der Republik links – auf dem rechten Auge war er zwar nicht 'blind', aber er sah mit ihm erheblich schlechter". Als Bolz seinen Irrtum begriff, war es zu spät. Und doch war er eben auch ein mutiger, ein todesmutiger Mann und ein Patriot. "Und wenn ich umkomme", schrieb er, als er sich dem konservativen Widerstand um Goerdeler und Stauffenberg angeschlossen hatte, "mein Leben ist nichts, wenn es um Deutschland geht ... Ich kann nicht anders. Ich muss dabei sein."
Für Bolz, zwölftes Kind und einziger Sohn einer Rottenburger Kaufmannsfamilie, gab es die als typisch bürgerlich berühmten Tugenden und Haltungen, an denen nicht zu rütteln war. Das Sparen gehörte dazu und Pünktlichkeit, Disziplin, Pflichterfüllung, Fleiß, Gehorsam gegenüber einer vermeintlich gottgewollten Obrigkeit. Die tiefe, schon im Elternhaus praktizierte Frömmigkeit begleitete und hielt ihn ein ganzes Leben lang, bis in die Todeszelle. Sie durchdrang sein Denken so sehr, dass er den Satz prägte, Politik sei ja "nichts anders als praktisch angewendete Religion". Und auch sie ließ ihn, der als Schüler des Stuttgarter Karls-Gymnasiums noch neugierige Anteilnahme, wenn nicht sogar Sympathien für sie empfunden hatte, auf Distanz zur Sozialdemokratie gehen wegen ihrer Glaubens- und Kirchenferne.
Schwankende Stimmungen
Als Bolz 1928 württembergischer Staatspräsident wurde, führte er die bestehende Koalition unter Ausschluss der Wahlsiegerin SPD fort, mit den Deutschnationalen und trotz deren verhängnisvoller Nähe zur NSDAP. Einige Jahre zuvor hatte er noch die Ansicht vertreten, die SPD gehöre wegen ihrer Bedeutung und Stärke immer in eine Regierung; er wollte nicht, dass "die Masse der Arbeiter" in Opposition stünde. Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot bekämpfte Bolz übrigens intensiver und erfolgreicher als die meisten anderen Regierenden in Deutschland.
Widersprüchliches Meinen und Tun waren ihm ja nicht fremd. Im Ersten Weltkrieg erlebt er das sinnlose Blutvergießen bei den Kämpfen um den Hartmannsweilerkopf im Elsass mit (zum Artikel <link http: www.kontextwochenzeitung.de schaubuehne der-berg-den-sie-menschenfresser-nannten-2319.html _blank>"Der Berg, den sie Menschenfresser nannten") und vertraut seinem Tagebuch schwankende Stimmungen an. "Mit Stolz sandte ich den Franzosen am Osterdienstag meine ersten Granaten", brüstet sich der Leutnant im April 1915 in seinem Tagebuch. Und fast zeitgleich bekennt er: "Ich war nie ein Freund des Krieges. Ich glaubte nie an einen solchen Wahnsinn unter berechnenden Kulturvölkern. Ich halte auch den jetzigen Krieg für den größten Wahnsinn in der Geschichte."
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Pedro Ro.
am 09.01.2015