Von wegen "Ländle leben lassen". Beeindruckend, wie der Volksantrag gegen den Flächenfraß mit immerhin 53.000 Unterschriften im Landtag dank parteiübergreifend-seltener Einfalt kürzlich abgelehnt wurde. Und damit haben wir jetzt amtlich mit Brief und Siegel, dass es in "The Länd", entgegen aller vollmundigen Ankündigungen im grün-schwarzen Koalitionsvertrag von 2021, ganz gewaltig mit der Einsicht hapert, dass die tagtägliche Vernichtung von sechs Hektar Boden endlich gestoppt werden sollte. Von wegen.
Denn auch in dieser Hinsicht ist Baden-Württemberg Spitze. Innerhalb der letzten zwei Generationen haben wir genauso viel Fläche verbraten, wie 80 (in Worten: achtzig) Generationen vor uns, sagen Naturschutzverbände. Das soll uns erst einmal jemand nachmachen. Dabei hätte es dieses ganze Theater um die 53.000 (und ein paar zerquetschten) Antiflächenfraß-Unterschriften sowieso gar nicht gebraucht. Denn schließlich geht es, Baurecht hin oder her, viel einfacher. Ein wunderbares Beispiel dafür liefert das Städtchen Schwaigern im Landkreis Heilbronn, das seit einiger Zeit als stolzer Beherbergungsort einer der größten Pilzzuchtfabriken in der Republik firmiert. Mehr als 50 Tonnen Champignons pro Woche (später sollen es 100 Wochentonnen sein) werden hier von einem norddeutschen Unternehmen namens "Pilzland" in einem gigantischen Hallenkomplex mit stolzen 17.500 Quadratmetern Dachfläche produziert – das Ganze angesiedelt auf einer ehemaligen 4,8 Hektar großen Ackerfläche mit besten landwirtschaftlichen Bodenwerten.
Ja, wo kriegen die in Schwaigern plötzlich so viel Baufläche her? Wo doch amtlicherseits gebetsmühlenhaft behauptet wird, dass es ringsherum keinen einzigen freien Quadratzentimeter mehr gebe, um "was G'scheites" bauen zu können. Des Rätsels Lösung outet sich im Baugesetzbuch, Paragraf 35 – damit ist auf Behördendeutsch das privilegierte Bauen im Außenbereich gemeint und privilegiert ist ausschließlich der Bauernstand. Eine wunderbare Ausnahmeregelung, geschaffen einzig für den emsig ackernden Landmann, damit der auf seiner Scholle machen kann, was er will. Sogar dort bauen, wo sonst niemand bauen darf. Denn schließlich muss der gute Agrarunternehmer ja die ganze Welt ernähren können – was er aber nur kann, wenn man ihm halt auch ein bisschen entgegen kommt und es mit den Bauvorschriften nicht gar so kleinlich meint. Und so sind allüberall mitten in der unbesiedelten Pampa landwirtschaftliche Wohnhäuser, Garagen, Scheunen und Lagerhallen gigantischen Ausmaßes wie Pilze aus dem Boden geschossen.
Ein Abnehmer für überschüssige Wärme
Womit wir wieder beim Thema Champignons wären. Denn weil die in einer Art Gewächshaus herangezogen werden, handelt es sich bei deren Zucht um einen Gartenbaubetrieb. Und ein "Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung", so steht es im besagten Paragrafen 35 der Landesbauordnung, ist auch im Außenbereich zulässig. Kann man als Gemeinde folglich gar nix dagegen machen, sondern muss man genehmigungstechnisch ratz-fatz abnicken. Haben sie sich im entsprechenden Gremium der Stadt Schwaigern gedacht und die Chose einstimmig durchgewunken. Grüne genauso wie Rote, Schwarze, Gelbe und Blaue. Denn schließlich gab es da noch einen positiven Randeffekt: endlich war mit der neuen Pilzzucht nun ein dankbarer Abnehmer für die Wärmeproduktion der viel zu groß dimensionierten benachbarten Biogasanlage gefunden, die nach Eingeständnis des Betreibers bislang Millionen Kilowattstunden Wärme sinnlos in die Luft geblasen hatte. Besser geht's wohl kaum.
5 Kommentare verfügbar
Thor Sch
am 07.08.2024Aber Knasthähnchenkacke zu Humus, das geht ja gar nicht.