LBBW sagt nichts
Auf Kontext-Nachfrage verweigert die LBBW Auskünfte, ob sie in der türkischen Provinz Mugla Kohleprojekte finanziert. "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir aufgrund des Bankgeheimnisses zu einzelnen Geschäftsbeziehungen keine Auskunft erteilen können", so ein Sprecher. Recherchen ergeben, dass die Bank im Januar 2018 einen Kredit über 180,33 Millionen US-Dollar an ein Gemeinschaftsunternehmen von IC-Holding und Limak-Holding vergeben hat: an die "IC-LİMAK ADİ ORTAKLIĞI". Abgewickelt wurde das Kreditgeschäft auf Seiten der LBBW von der Abteilung "Export Finance Origination" am Stuttgarter Hauptsitz. Juristisch begleitet wurde der Deal von der Wirtschaftskanzlei Baker McKenzie, abgesichert von dem zum Allianz-Konzern gehörenden Kreditversicherer Euler Hermes. Die Internet-Suche mit dem Namen des Kreditnehmers führt auf die Projektseite eines Anreicherungs- und Beizwerks für Braunkohle für die Kraftwerke Yeniköy und Kemerköy. Die jährliche Produktionskapazität der Anlagen wird mit 12 Millionen Tonnen Förderkohle, zehn Millionen Tonnen Feinkohle sowie 4,5 Millionen Kubikmeter Abraum beziffert. Bilder zeigen einen neu begonnen Tagebau.
Stattdessen betont die LBBW gegenüber Kontext, dass man einen "klaren Fahrplan zum Ausstieg aus der Kohlefinanzierung verfolgt und sich eine der strengsten Kohlerichtlinien in der deutschen Bankenbranche gegeben hat". Man sei sich aber auch bewusst, dass Kohlestrom als Brückentechnologie übergangsweise noch eine Rolle spielen wird, um die Energieversorgung sicherzustellen. "Deshalb sind Finanzierungen unter bestimmten Voraussetzungen möglich – beispielsweise, wenn dadurch der Wirkungsgrad eines Kraftwerks verbessert wird oder Emissionen reduziert werden", teilt der Pressesprecher mit.
Das genügt der Stuttgarter Gruppe von Fridays for Future (FfF) nicht, die der Hilferuf aus der Türkei erreicht hat. Zusammen mit der Klimaaktivistin Luisa Neubauer, dem BUND Baden-Württemberg und Youth for Climate Turkey verlangen ihre Aktivisten einen "Kohleausstieg" von der Bank. In einem offenen Brief an Vorstände und Aufsichtsräte drängt sie auf den sofortigen Rückzug aus der Finanzierung fossiler Energieprojekte. "Wir fordern den Aufsichtsrat der LBBW auf, seine Rechte zu nutzen und die Richtlinien der LBBW so zu ändern, dass auch Investitionen, wie in den Tagebau im Akbelen-Wald, nicht möglich sind", zitiert Ajla Salatovic von FfF aus dem Brief.
Mit dem baden-württembergischen Finanzminister Daniel Bayaz (Grüne) hatten sich die Aktivist:innen bereits zuvor informell über das Türkei-Engagement der Bank ausgetauscht. Dabei soll der Minister die Kreditvergabe der LBBW an den Kohlekonzern bestätigt, aber weder Möglichkeit noch Notwendigkeit gesehen haben, dagegen vorzugehen. Ein Sprecher des Ministers teilt gegenüber Kontext mit, dass Finanzierungen das operative Geschäft der Bank beträfen und somit in der Zuständigkeit des Bankvorstands lägen. "Die Eigentümer der LBBW haben hierauf keinen Einfluss. Zu einem einzelnen Engagement können wir daher auch nichts sagen." Gleichwohl bringe Minister Bayaz als Aufsichtsratsmitglied die Belange des Umweltschutzes in die Strategie der LBBW ein.
Enorme Geldsummen für fossile Energien
Doch wie nachhaltig agiert die LBBW tatsächlich? Hinweise darauf finden sich in den Nachhaltigkeitsberichten, in deren Rahmen die Bank seit 2019 auch Zahlen zu den Treibhausgas-Emissionen im Zusammenhang mit den von ihr vergebenen Krediten nennt (THG-Fußabdruck). Demnach sank die "mittlere Emissionsintensität" von 48 Tonnen Kohlendioxid pro einer Million Euro (t CO2/Mio. EUR) im Jahr 2021 auf 44 t CO2/Mio. EUR im Jahr 2022. Demnach betrug der THG-Fußabdruck der LBBW zum Stichtag 31. Dezember 2022 in Summe 11,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (Mio. t CO2e). "Somit sind die finanzierten Emissionen im Vergleich zum Vorjahr um 1,5 Mio. t CO2e zurückgegangen", so der Sprecher.
Und er betont, dass die LBBW mit der Unterzeichnung der Klimaschutz-Selbstverpflichtung des deutschen Finanzsektors für sich verbindlich festgelegt habe, ihre Kredit- und Investmentportfolios an den Zielen des Pariser Klimaabkommens zu orientieren. Um das Portfolio nachhaltig auszurichten, arbeite man in den relevanten Wirtschaftssektoren bereits intensiv mit entsprechenden Kreditrichtlinien. "Diese definieren transparent und nachvollziehbar, ob die Bank sich an bestimmten Geschäften beteiligt oder nicht", so der Sprecher. Die erwähnte Kohlerichtlinie sei Teil dieser Regelungen, weitere Regelungen würden etwa Öl und Gas betreffen.
Umweltorganisationen wie "Urgewald" beleuchten seit Jahren das klimaschädliche Finanzgebaren von Banken. Tatsächlich taucht die LBBW nicht in der Top-60-Hitliste der Banken auf, die Kohle-, Öl- und Gasunternehmen finanzieren, neue fossile Quellen erschließen oder die dazugehörende Infrastruktur ausbauen. Dabei fließen noch immer gewaltige Summen in den Sektor. Nach dem 14. "Banking on Climate Chaos"-Bericht, der im vergangenen April erschien, haben in den sieben Jahren seit der Verabschiedung des Pariser Abkommens die 60 größten Privatbanken der Welt fossile Brennstoffe mit insgesamt 5,5 Billionen (in Zahlen: 5.500.000.000.000) US-Dollar finanziert. Allein 2022 waren es 673 Milliarden Dollar, die im Rahmen von Konsortialkrediten und Underwriting-Mandaten an Unternehmen der fossilen Energiebranche flossen. Hiervon gingen 150 Milliarden Dollar an die 100 Unternehmen, die am meisten zur fossilen Expansion beitragen: unter anderem TC Energy aus Kanada, die französische TotalEnergies, den US-Flüssigasproduzent Venture Global, den US-Ölkonzern ConocoPhillips und den Staatskonzern Saudi Aramco.
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