"Nein, wir möchten nichts sagen." "Lassen Sie mich." Donnerstagnachmittag, 15 Uhr, aus dem Multifunktionsgebäude von TK Elevator – ein 2015 eingeweihtes, 15 Millionen Euro teures Bürohaus – strömen fast 800 Frauen und Männer. Die Gesichter sind besorgt, starr, erschüttert. In einer zweistündigen Infoveranstaltung hat die Geschäftsführung des einstigen Thyssenkrupp-Aufzugsbetriebes erläutert, dass sie mehr als jeden zweiten Arbeitsplatz abbauen will. Und innerhalb eines Radius von 30 Kilometern umziehen. Binnen der nächsten zwei Jahre soll die Erneuerung zu einem "Exzellenzzentrum für Aufzugstechnologie" umgesetzt werden, heißt es in einem Schreiben, das die Unternehmensleitung nach der Versammlung an die Beschäftigten schickte.
"Man hatte ja geahnt, dass es nicht gut läuft und dass was kommt. Aber so schlimm …." Die IG-Metall-Vertrauensfrau Petra Solenne ist eine der wenigen, die spricht. Seit 20 Jahren arbeitet die gelernte Friseurin im Betrieb. "Wenn man früher gesagt hat, man ist bei Thyssenkrupp, war das wie Schaffen beim Daimler. Da kannst du dein Leben lang bleiben", sagt sie. Das haben viele hier geglaubt.
Vor zwei Jahren hatte Thyssenkrupp seinen lukrativsten Unternehmensteil – Aufzüge – verkauft, weil der Konzern dringend Geld benötigte. Für 17,2 Milliarden Euro ging die Aufzugssparte an ein Konsortium aus den Finanzinvestoren Advent und Cinven sowie der RAG-Stiftung. Die Arbeitnehmerseite war ganz zufrieden, konnte die IG Metall doch eine Beschäftigungssicherung bis 31. März 2027 aushandeln. Die Beschäftigten fühlten sich also sicher. Doch sowohl Corona mit Folgen für Lieferketten als auch der Russland-Ukraine-Krieg bereiteten dem Standort Neuhausen Probleme, hat doch das Russlandgeschäft 30 Prozent des Umsatzes ausgemacht. Damit ist durch die Sanktionen Schluss. "Eine Erholung des bestehenden Produktportfolios ist nicht zu erwarten", schreibt das Unternehmen. Zusammen mit den steigenden Material- und Energiepreisen stehe der Standort unter hohem Kostendruck. Die Rede ist von einer "existenzbedrohenden Situation".
Viermal haben Geschäftsführung und Arbeitnehmervertretung miteinander verhandelt. Die komplette Schließung des Standortes stand zur Debatte. "Als der Betriebsrat das eben berichtet hat, haben wir ganz schön geschluckt", erzählt Petra Solenne. "Die setzen uns ja damit das Messer auf die Brust."
Neuhausen war das Herz
Im Besprechungsraum des Betriebsrates sitzt Georgios Triantafillidis, Vorsitzender in Neuhausen und stellvertretender Vorsitzender des Konzernbetriebsrats. Er sieht nicht gut aus. "Katastrophe heute", sagt er. Gerade stand er noch vor der Belegschaft, hat berichtet, was gelaufen ist. Viel habe der Betriebsrat mit der Unternehmensführung diskutiert und gestritten. Dann wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das ergab: Das Portfolio passt nicht zum Markt. Das heißt: Die Aufzüge aus Neuhausen will angeblich niemand. Dann stand die Drohung im Raum, den Standort komplett dicht zu machen, der Aufsichtsrat könne das gleich am nächsten Tag beschließen. Die Alternative: Es werden keine Seil-, sondern nur noch Riemenaufzüge gebaut, der Großteil der Arbeitsplätze wird gestrichen. Eine üble Situation für die Arbeitnehmervertretung. "Wenn die Konzernspitze so etwas beschließt – was können wir da noch tun?", fragt Triantafillidis missmutig.
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