Was sie umtreibt, ist die konstruktive Frage, wie all das besser funktionieren kann. So sehen sie im "Fiatgeld" die nützlichen Funktionen des Geldes sehr mangelhaft umgesetzt: "Notwendig ist [stattdessen] ein elektronisches Zahlsystem, das auf kryptographischen Nachweis anstelle von Vertrauen basiert und es zwei bereitwilligen Parteien ermöglicht, Transaktionen direkt untereinander durchzuführen, ohne dass eine vertrauenswürdige dritte Partei nötig wäre." So machen sich die Kritiker also daran, praktisch zu werden und den Bitcoin zu schaffen, der diese Funktionen besser ausführen soll: keine Entwertung, keine Kosten, keine Zahlungsunsicherheiten. Das erscheint ihnen gerade deswegen als lohnendes Unterfangen, weil sie wissen, dass vom Geld in dieser Gesellschaft alles abhängig gemacht ist. So leisten sie sich den nicht gerade kleinen Widerspruch, etwas schaffen zu wollen, was die kapitalistische Geldwirtschaft besser funktionieren lassen soll, indem sie ausgerechnet den Stoff, um den sich alles dreht, nämlich das Geld, für eine ziemliche Nebensache erklären, das man einfach so durch etwas anderes ersetzen könne.
Kryptisches Falschgeld
Diesen Widerspruch einmal genauer betrachtet: Der Form nach scheint der Bitcoin wie das Geld ein Akt der Definition zu sein, und so nimmt es Nakamato auch: "Wir definieren eine elektronische Münze [Coin] als eine Kette digitaler Signaturen. Jeder Eigentümer überträgt den Coin auf den nächsten, indem er einen Hash der vorherigen Transaktion und den öffentlichen Schlüssel des nächsten Besitzers digital signiert und dies an das Ende des Coins anfügt. Der Empfänger der Zahlung kann die Signaturen überprüfen, um die Kette der Eigentümer zu verifizieren." Warum auch nicht, immerhin weiß man ja, dass auch der Staat Papierzettel, die selbst keinen Wert haben, zum Zahlungsmittel erklärt, also definiert.
Was die digitalen Freunde der Geldfunktionen dabei leider verpassen, ist der Inhalt der staatlichen Definition: Als Gewaltmonopol verpflichtet nämlich der Staat seine Bürger auf das Eigentum und setzt mit seinem Recht durch, dass die bedruckten Scheine von allen Bürgern als Mittel des Zugriffs auf allen privaten Reichtum akzeptiert werden – und damit dieser Reichtum sind. Das Geld wird mit der staatlichen Hoheit als Maß und Mittel des abstrakten Reichtums gesetzt. Diesen Inhalt hat der Bitcoin natürlich gar nicht vorzuweisen, warum er eben auch kein Geld ist, sondern ein Stück Programmcode, das so gestaltet wurde, dass man es als einen Datensatz besonders anonym und sicher hin- und hertransferieren kann, und das ansonsten in jeder Hinsicht ziemlich selbstreferenziell ist: Wer nämlich einen Bitcoin hat, hat damit nichts als diesen selbst, ein Stück Informationstechnik, die man in seinen virtuellen Tresor stecken kann und von dort wieder an andere Adressen überweisen kann – sofern die ein Interesse an einem Stück Datensatz haben.
Das haben auf ihre ganz eigene Art auch die Kritiker des Papiergeldes und Bitcoin-Verfechter festgestellt und gleich eine Lösung gefunden: "Der wesentliche Punkt ist, dass, wenn einmal ein Tausch zwischen Geld (US-$) und Bitcoins stattfinden kann, Warenproduzenten ein Mittel haben, Bitcoin als ein mögliches [!] Tauschmittel zu bewerten." Das ist der Sache nach ein Eingeständnis, dass der Bitcoin weder Wert hat noch ein Geld ist. Doch die Bitcoin-Erfinder stellen sich einfach auf den Standpunkt, dass es irgendwann eine Relation zwischen ihrem Produkt und echtem Geld geben muss, damit man dank des Bitcoin-Preises in Dollar einfach die Gleichung umdrehen kann und dann alle Waren, die ihren Ausdruck in Dollar haben, auch in der eigenen Fiktion ausdrücken kann. Mit derselben Logik könnte man zwar auch Autos, Gurken und Tische zu Geld erklären, weil man über den Preis dieser Waren umgekehrt auch jede andere Ware in einer bestimmten Quantität Gurken ausdrücken könnte, aber da haben die "Bitcoin-Ökonomen" schon über ganz andere Widersprüche hinweggesehen.
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Anette
am 22.10.2021