Innenstädte spiegeln die Vorstellungen von Konsum, Wohlstand und Freizeit einer Gesellschaft wieder. Genau hier ist etwas in Bewegung geraten: Konsumfreude wird zunehmend abgelöst durch wertig vorgelebten Konsumverzicht. Weniger ist mehr, "Reduce, Reuse, Recycle" heißt der neue Chic. Dem müssen sich Kaufhäuser als ehemalige Tempel wohliger Konsumfreude anpassen.
In Stuttgart ist diese Entwicklung an einem Ort besonders gut zu sehen: Das Einkaufszentrum Das Gerber wurde 2014 eröffnet. Seitdem wird hier munter mit verschiedenen Ladenkonzepten experimentiert. Aus reiner Not, denn bereits wenige Monate nach der Eröffnung verzeichnete das erste Stockwerk zu wenige Besucher. Der neuste Versuch springt auf den Nachhaltigkeitstrend auf: Das Gerber erprobt den Spagat, als Einkaufszentrum fürs Weniger-Einkaufen stehen zu wollen. Im ersten Obergeschoss gibt es Batikworkshops, um eigene Kleidung aufzuhübschen, Upcycling genannt, und ins Untergeschoss ist im Juli eine Second-Hand-Boutique eingezogen.
Sie will mehr sein als eine Gebrauchtwarenhandlung, nämlich eine Maßnahme zum Umdenken. Der sogenannte Future Fashion Store ist ein Modegeschäft mit Bildungsauftrag: Er will nicht nur Kleider verkaufen, sondern auch Informationen über die globale Modeindustrie vermitteln und zum Umdenken anregen.
Das Komplexe aufs Konkrete runterbrechen
Dahinter steht die Stiftung für Entwicklungs-Zusammenarbeit Baden-Württemberg (SEZ), die den Laden gemeinsam mit der Aktion Hoffnung betreibt. "Unsere Absicht ist es, komplexe entwicklungspolitische Zusammenhänge auf konkretes Handeln runter zu brechen", erklärt der Vorstand der Stiftung, Philipp Keil. Im neuen Laden soll die Frage beantwortet werden, wie es funktionieren kann, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zusammen zu bringen.
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H. Wagner
am 06.01.2021https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2020/die-neue-konsumgesellschaft/der-unendliche-kleiderschrank