Prickelnd war Reinigen nie, auch nicht vor Corona. Mit einer Ausnahme, jedenfalls in den Augen der ersten Werbeprofis im Nachkriegsdeutschland, die die Frauen zum Kauf der schönen neuen Waschmittel verführen wollten. Zu allem Überfluss durften Männer die besserwissenden Schlaumeier geben: Die Gattin geniert sich, weil der Gatte kleckert, der Wirt hilft ihm mit Persil aus der Patsche. "Die Taktik, mit der Werbung in den 50er-Jahren ihre Zielgruppe überzeugen wollte, war die Ansprache von Schuldgefühlen", heißt es in einer Bachelor-Arbeit zum Thema. Und: "Ob der Kaffee nicht schmeckte oder die Wäsche nicht weiß genug war – stets war etwas nicht richtig gemacht worden und das beworbene Produkt versprach Hilfe bei diesem Dilemma."
Putzen unter der Schwelle spezialisierter Bereiche, etwa im Maschinenbau oder in der Medizin, heißt bis heute "nach Hausfrauenart", gerade in einschlägigen Anzeigen von Zeitarbeits- und anderen Firmen. "Die Reinigung nach Hausfrauenart umfasste eine Reihe minderhandwerklicher Arbeiten, die von jedermann ausgeführt werden durften", besagt eine bis heute gängige Definition. Auch keine Satire. "Es ist, als wären wir gar nicht da", sagt eine der ministeriellen Reinemachefrauen – noch so ein verunglückter Begriff, um den Beruf zu beschreiben, "und wenn wir auffallen, stören wir, obwohl wir doch nur unserer Arbeit nachgehen."
Einsparen auf Kosten der Reinigungskräfte
Seit den 1970ern und massiv seit den 1990ern werden die Tätigkeiten von der öffentlichen Hand und von Firmen ausgelagert, womit das letzte kleine Pflänzchen Zusammengehörigkeitsgefühl endgültig niedergemäht wurde. Unzählige Unternehmer und Subunternehmer ersannen Verträge mit Paragrafen zu Bezahlung und Arbeitszeit, deren Einhaltung nie kontrolliert wurde. Ein weit verbreitetes gesellschaftliches Ärgernis entstand, das konsequent beschwiegen wurde. Niemand mochte schlafende Hunde wecken, die laut gebellt hätten: Wären Aufträge zu anständigen Bedingungen vergeben worden, hätten viele der vollmundigen Einsparungsversprechen nie erfüllt werden können.
Ausgerechnet die rot-grüne Bundesregierung drehte weiter an der Abwärtsspirale. 2004, im Zuge von Hartz IV und Handwerksrechtsnovellierung, fiel die Meisterpflicht, wie für 52 andere Berufe. Jetzt durfte sich jedeR ohne Qualifikationsnachweis niederlassen, um selbst komplexe Aufträge zu übernehmen. Seit 2019 gilt ein neuer Rahmentarifvertrag, dessen Ausverhandlung mitausgelöst wurde durch ein Gerichtsurteil. Arbeitgeber wollten nicht davon lassen, Teilzeitbeschäftigte so lange ohne Überstundenzuschlag wischen und kehren, scheueren und polieren zu lassen, bis die Regelarbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten erreicht war.
Das wurde zwar gerichtlich abgestellt, die Neuregelung ist aber ebenfalls höchst unbefriedigend. "Besonders wichtig ist uns, dass wir das Urteil des Bundesarbeitsgerichts integriert haben", freute sich Christian Kloevekorn, Verhandlungsführer für den Bundesinnungsverband. Von da an erhielten alle Beschäftigten einen Belastungszuschlag von 25 Prozent ab Überschreitung der achten Arbeitsstunde. Und die ersten sieben? Die fallen unter den Tisch.
An Fasching haben Putzfrauen Hochkonjunktur
Erst kürzlich wurde ein Teil der damaligen Handwerksrechtsnovelle rückgängig gemacht. Viele Berufe, etwa Fliesen- und Estrichleger, Orgelbauer, Holzdrechsler oder Glasveredler, fallen zurück unter die Meisterpflicht, Gebäudereiniger hingegen nicht. Die Uni Göttingen hat sich in einem Pro und Contra mit der Lage befasst, ein Befürworter der Niederlassungsfreiheit erläutert bereitwillig den Hintergrund. Die Markteintrittsbarrieren für Migranten seien gesenkt und die Integration damit verbessert worden. Die Saubermänner ohne deutsche Wurzeln sind häufig Glas- oder Fassadenreiniger, aber draußen ebenso isoliert von den anderen Beschäftigten wie ihre Kolleginnen drinnen.
Ein Mal im Jahr hat der Stand aber dann doch Hochkonjunktur. Allerdings nicht Birgül oder Özlem, Milena, Berisha, Vasil oder Said, sondern Silvia und Robert und vor allem eine gewisse Annegret von der Saar. Im Fasching sind Putzfrauen und Männer, als Putzfrauen verkleidet, höchst beliebt, weil auch mit "low budget" herzustellen, wie es auf einer der vielen Kostüme-Seiten im Netz heißt. Außerdem ist der Aufwand an Phantasie und Ausstattung überschaubar, denn fast alle haben alle einschlägigen Requisiten sowieso daheim, im Idealfall sogar die typischen gelben Plastikhandschuhe. Die schützen übrigens nicht vor Unfällen, wenn sich Kolonnen nachts durch Bankhochhäuser schrubben, erst recht nicht die CDU-Bundesvorsitzende vor missglückten Scherzen über Transsexualität. Und keinesfalls Schwamm drüber.
1 Kommentar verfügbar
Gerald Fix
am 16.05.2020Ich kenne noch die Zeiten, in denen bei kleinen Firmen und Behörden Putzfrauen (ja, es waren fast nur Frauen) fest angestellt waren. Die wurden dann aus Kostengründen durch Reinigungsfirmen ersetzt. Aber eines war damals schon genaus so wie heute: Auch die fest…