Petra Müller ist eine der baden-württembergischen Landesvorsitzenden der AbL, wo der Vorstand von alters her stets weiblich und männlich besetzt ist. Die Heumilchbäuerin aus Bad Waldsee hat 50 Kühe, die im Sommer nur auf der Weide sind und im Winter den Stall täglich verlassen müssen. Kann man von 50 Heumilchkühen leben? Müller lacht. "Ja, das geht. Wir sind ein Demeter-Hof. Ich kenne auch Landwirte, die leben von 30 Kühen. Es muss nicht Masse sein." Sondern Qualität. Womit Müller nicht sagen will, konventionell hergestellte Produkte seien schlecht. "Die sind sicher." Das unterstreicht auch das Landwirtschaftsministerium und schreibt: "Die Qualität der in Baden-Württemberg erzeugten Produkte ist hoch. Das belegen Kontrollen der Lebensmittelüberwachung."
Allerdings sagen sichere Lebensmittel nichts über die Art und Weise ihrer Produktion aus. Müller sagt dazu: "Werden Pflanzenschutzmittel eingesetzt? Wie werden die Tiere gehalten? Da gibt es auch bei Direktvermarktern Unterschiede." Für die Kampagne des Ministeriums war eine umweltfreundliche Produktionsweise allerdings kein Kriterium, um mitmachen zu dürfen. "Für uns gibt es die eine Landwirtschaft in Baden-Württemberg", schreibt es auf Nachfrage gleichmacherisch und betont noch einmal die Vorteile regionaler Vermarktung, wie kurze Wege, also Klimaschutz. Für die AbL-Vorsitzende Müller ist das zu wenig: "Ich gönne ja den paar Direktvermarktern diese Kampagne. Aber man könnte viel mehr machen. Auf bessere Produktion achten, die auch der Artenvielfalt zugute kommt, die Tiere gut behandelt, die tatsächlich auf regionale Kreisläufe setzt und nicht auf weltweiten Export und Masse."
Bilder von Großviehställen sind nicht so hübsch
Corona könnte ein Anlass sein, intensiver über die industrielle Landwirtschaft beziehungsweise Alternativen nachzudenken. "Die Debatte darüber läuft ja schon", sagt AbL-Geschäftsführer Thomas. "Sowohl in der EU als auch hier in Baden-Württemberg." Corona käme jetzt noch obendrauf auf Themen wie Nitrat im Grundwasser oder Klima. Womit wieder die Themen angesprochen sind, denen die Bauern ihr im Großen und Ganzen eher schlechtes Image verdanken. "Daran sind sie selber schuld", findet Müller.
Vielleicht ist das ja der eigentliche Grund für die Kampagne "Wir versorgen unser Land": Schöne Fotos von naturverbundenen Landwirten und idyllischen Hofläden sind angenehmer als Bilder von Monokulturen und Großviehställen, wie zum Beispiel dem in Ostrach, wo derzeit vier Landwirte gemeinsam einen Stall für 1.000 Kühe bauen. Ob dort in Zukunft Milch direkt vermarktet wird? Eher unwahrscheinlich, schließlich soll mit derartigen Großställen ja Masse produziert und abgesetzt werden. Fotos von dieser Großkuhstall-Baustelle werden wahrscheinlich nicht in der Kampagne des Ministeriums für Ländlichen Raum auftauchen. Lieber ländliche Idylle als Debatten über Agrarpolitik und Produktionsbedingungen.
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