Die Kanzlei reagiert kühl – "Es gibt keine Grundlage für Ansprüche gegen Gleiss Lutz" – und steht doch mit im Zentrum der vielschichtigen Affäre, die nicht nur Mappus und seinem Banker-Freund Dirk Notheis (damals Deutschlandchef der amerikanischen Investment-Bank Morgan Stanley), sondern auch der baden-württembergischen CDU so schwer zu schaffen macht. Das Stuttgarter Kanzleiunternehmen ("Neben die rechtliche Beurteilung tritt wirtschaftlicher Sachverstand, dadurch bringen wir Projekte effizient und erfolgreich ans Ziel"), gegründet 1949 von Alfred Gleiss, gehört seit Langem zu den ganz großen Namen in der Branche. Lothar Späth verlieh dem Wettbewerbsrechtler, der nach dem Zweiten Weltkrieg im württembergischen Wirtschaftsministerium gearbeitet hatte, Anfang der Achtzigerjahre ordensgleich den seltenen Professorentitel des Landes.
Heute arbeiten 300 Anwälte, davon ein knappes Drittel Partner, an sieben Standorten. Die Insolvenz der "Frankfurter Rundschau" wurde ebenso begleitet wie der Luft-und-Raumfahrt-Riese EADS bei der Neuordnung seiner Aktionärsstruktur. Als die "Wirtschaftswoche" 2012 die Justiziare der 1500 größten deutschen Unternehmen und der hundert größten Banken und Versicherungen befragt, wen sie in Notsituationen beauftragen würden, nennen 21 Prozent Gleiss Lutz: Platz eins, verziert mit der Bestnote 1,7 unter den 50 größten in Deutschland aktiven Konkurrenten. Erst jüngst verhilft die Kanzlei Ritter Sport zu einem vorläufigen Sieg über die Stiftung Warentest, im viel beachteten Rechtsstreit ums Aroma der Sorte Voll-Nuss. Die Eigenwerbung verspricht "Qualitätsbewusstsein, Innovationsfreude, höchste Leistungsbereitschaft, Zusammengehörigkeitsgefühl, Tradition", ferner ebenso praxisnahe wie kreative Lösungen. Und weiter: "Exzellenz ist unser Anspruch, Mandant und Mandat sind unsere Passion."
Der Auftrag war heikel, geheim und lukrativ
Beim EnBW-Aktienrückkauf hat Gleiss Lutz das Land nach eigenen Angaben "umfassend" beraten, will aber an der Festlegung des Kaufpreises nicht beteiligt gewesen sein. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sah auch bisher keinen Grund, Ermittlungen aufzunehmen. Mit im Team waren neben Schockenhoff acht Anwälte, von außen hinzugezogen wurde unter anderen der frühere Bundesverteidigungsminister Rupert Scholz, ein angesehener Staatsrechtler. Der Auftrag war heikel, geheim und lukrativ; gut 2,6 Millionen Euro sind als Honorar genannt. An Morgan Stanley sollen übrigens 13 Millionen Euro als Vermittlungsprovision geflossen sein.
Schockenhoff selber beschrieb bei seiner ersten Vernehmung im Landtag die Benennung von Risiken als Teil seiner Aufgabe. Zugleich aber zeichnet er von sich das Bild des zurückhaltenden, geradezu einfühlsamen Stichwortgebers. Im entscheidenden Moment obsiegt Letzterer: Als der Deal am 5. Dezember 2010 im Staatsministerium besiegelt werden soll mit der – später vom Staatsgerichtshof als verfassungswidrig gerügten – Unterschrift des bis zu diesem Sonntagabend völlig ahnungslosen Finanzministers Willi Stächele (CDU), da will der Rechtsberater keinerlei Anlass gesehen haben, den laut Verfassung entscheidenden Mann aktiv in die Problemlage einzuweihen. Weil, so erläutert der Anwalt den verdutzten Abgeordneten im Untersuchungsausschuss, aus Stächeles Rückfragen geschlossen habe werden können, dass dem sein Risiko sehr wohl bewusst gewesen sei.
"Mysteriöser Meinungsumschwung"
Der Internet-Infodienst für Wirtschaftsanwälte, Juve, wundert sich im Januar 2012 über "Gleiss Lutz' mysteriösen Meinungsumschwung". Nachvollzogen wird, wie "die heikle Frage, ob das Parlament der Transaktion zustimmen muss, zunächst relativ eindeutig bejaht" worden sei. Noch am 29. November 2010 habe sich "der federführende Partner Dr. Martin Schockenhoff" entsprechend geäußert. Juve zitiert aus dem mittlerweile berühmt gewordenen Mail-Verkehr mit Notheis: "Unsere Tendenz: Wenn der Kauf erfolgt, um den konkreten, akut drohenden Einstieg eines strukturell gefährlichen Aktionärs zu verhindern, ginge es eventuell ohne das große Gremium. Hier aber eher kein solcher Ausnahmefall. Deshalb Zustimmungsvorbehalt wohl erforderlich."
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Berater beraten.
am 01.08.2014