Die schmutzige Arbeit wird outgesourct.
Es ist unglaublich schwierig, die geistige Urheberschaft zu beweisen. Man wird wahrscheinlich nie Tonaufnahmen in die Hände kriegen, auf denen ein ranghoher Politiker im Gespräch mit dem Auftragsmörder zu hören ist, während der ihm sagt: "Töte bitte diese Journalistin".
Das Mandat des amtierenden Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) neigt sich dem Ende zu. Er führte die sogenannten "mañaneras" ein, morgendliche Pressekonferenzen inklusive Fragerunde für Journalist:innen. Das war ein absolutes Novum. Doch er nutzt die Konferenzen auch gerne als Plattform, um Medien zu kritisieren, die ihm nicht in den Kram passen.
Es steht dem Präsidenten nicht zu, ein Urteil darüber zu fällen, welcher Journalist einen guten und wer einen schlechten Job macht. Das gehört nicht zu seiner Funktion als Präsident.
Aber er macht es dennoch gerne.
Ja, er macht es gerne – sollte das aber nicht tun. Denn er hat viele Menschen, die ihm folgen, viele haben ihn gewählt. Er ist beliebt. Wenn AMLO sagt, dass der Journalist Max Mustermann ein schlechter Journalist ist und ihn angreift, bringt dass den Journalisten Mustermann in Gefahr. Damit bin ich nicht einverstanden. Bei den morgendlichen Pressekonferenzen kommen zudem gerne mal die zu Wort, die gut über die Regierung des Präsidenten sprechen.
Klingt nach einem wenig demokratischen Auswahlprozess. Die Hoffnung zu Beginn seiner Amtszeit war groß: darauf, dass sich der Umgang mit Journalist:innen bessert.
Früher gab es überhaupt keine Interviews mit dem mexikanischen Staatschef. Gar keine Möglichkeit, Fragen zu stellen. Alles war hermetisch abgeriegelt, ein militärischer Generalstab kümmerte sich darum, dass niemand dem Präsidenten auch nur nahekam.
Also zumindest eine kleine demokratische Reform.
Nicht nur das. López Obrador ist auch ein gewiefter Stratege, wenn es um Kommunikation geht – er ist der erste, der die Macht der Sozialen Medien wirklich nutzt. Er spricht die Menschen Mexikos auf sozialen Plattformen direkt an, womit er den Umweg über die Medien gar nicht benötigt.
Wie lange sind Sie bereits Journalistin?
Seit rund 35 Jahren.
Sie wirken noch ziemlich fit. Vor allem, wenn man an all des Stresses und die konstante Angst denkt, die diese Arbeit hier mit sich bringt.
Alles hat seinen Preis. Ich habe Krebs bekommen. Brustkrebs. Ich bin mehrfach im Krankenhaus gelandet. Mir musste der Blinddarm entfernt werden. Eine ganze Reihe an Krankheiten. Alles wegen dem Stress. Ich habe auch Kokain konsumiert, jahrelang.
Sie haben gekokst?
Klar. Als der zapatistische Aufstand in Chiapas 1994 losging, war ich knapp ein halbes Jahr dort. Wunderbares Koks damals, quasi ungeschnitten.
Im Januar damals, als alles begann?
Ja. Für die Zeitung Reforma, als die gerade entstand. Wir sind damals in den frühen Morgenstunden losgegangen, um die Zapatisten zu suchen. Wir wussten nicht, wo wir sie finden würden. Wir sind einfach rein in den Urwald von Chiapas in der Hoffnung, mit Glück den Subcomandante Marcos zu treffen. Um zwei Uhr morgens dachte ich mir irgendwann: Mein Gott, wie halten die nur alle durch? Und naja, der Trick war eben: koksen. Um mehr Zeit zu haben, zu schreiben, mehr Energie für die Recherche zu haben.
Alles für den Job.
Alles für den Job. Was für ein Schwachsinn. Alles wegen des Egos. Journalisten und ihr riesiges Ego.
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Philippe Ressing
am 06.05.2024