Fünfzehntausend, eine beeindruckende Zahl – so viele Menschen wurden zur Mexiko-Ausgabe des Weltsozialforums (WSF) vom 1. bis 6. Mai erwartet. Die Zahl weckt Bilder im Kopf und verführt Reporter:innen zur Annahme: Hier wird sich vernetzt, sich engagiert, rebelliert, hier stellt sich eine laute Masse Andersdenker gegen das Diktat des endlosen Wachstums.
In der Realität stellt sich an einem Mittwochmorgen erstmal die Frage: Ist das hier die richtige Veranstaltung? Hausnummer auf dem Flyer falsch angegeben? Kann ja mal vorkommen. Etwa 60 Leute sind da, viele Ältere, ein paar Jüngere, und da, das dunkelrosa Banner des Sozialforums im Palacio de Minería. Wer über dessen steinernen Boden läuft, könnte schnell meinen, der Barista habe einem morgens heimlich zwei Mezcal in den Kaffee gekippt – Mexiko-Stadt sinkt ab, in manchen Ecken bis zu 40 Zentimeter pro Jahr, historische Gebäude sind besonders betroffen. Die torkelnd Suchenden navigiert ein selbstgebasteltes Schild mit selbstgemaltem Pfeil zum Saal C2. Dort finden sich dann auch Organisator:innen, mit der erfreulichen Nachricht, dass ihnen kurzerhand der Saal umdisponiert wurde – so knapp ein bis zwei Stunden vor ihrer Veranstaltung. Jetzt eben Aktivismus im Vorraum. Etwas Mitleid kommt auf, denn die spannenden Gäste, die von ihrer Menschenrechtsarbeit aus Kolumbien, Honduras und Mexiko berichten, werden nun von nur knapp 20 Zuschauer:innen belauscht. Im Facebook-Livestream oszilliert das Interesse zwischen vier und zehn Guckenden.
Aufzeigen, wie es anders geht
Zugegeben, jeder illegale Wald-Rave ist besser organisiert. Das scheint auf den ersten Blick auch zum Bedeutungsverlust der Veranstaltung zu passen, die 2001 im brasilianischen Porto Alegre ihre erste Auflage hatte, vor allem in den Anfangsjahren reges mediales Interesse auf sich gezogen und teils über 100.000 Besucher:innen angezogen hatte. Dennoch hat das Weltsozialforum seinen Markenkern nicht verloren: Ein Gegengewicht bilden. Zum Finanzkapitalismus und seinen Auswüchsen. Das "Anti-Davos" wartet mit Themen auf, die auf der Agenda der Superreichen und Wirtschaftslenker gerne mal vergessen werden. Landrechte, Schutz von indigenen Gemeinden, Klima, Feminismus, gegen ein starres Weiter-So.
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