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Stecker raus, Ampel aus

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Rot, gelb, grün leuchtet es wieder an der B27-Ausfahrt bei Bisingen auf der Alb. Der monatelange Streit um die Stromversorgung eines Ampel-Provisoriums ist trotzdem nicht beendet. Eine Posse um Strom in der Not, eine Stromrechnung und ein Verfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.

Es ist der 29. Mai 2018. Sabrina Fecker-Seibold arbeitet wie jeden Tag auf ihrem großen Geflügelhof zwischen Balingen-Engstlatt und Bisingen-Steinhofen, als zwei Mitarbeiter der Straßenmeisterei auf das Gelände kommen und sie ansprechen. "Wo denn das Stromkabel eingesteckt werden soll, wollten die beiden von mir wissen." Hofbesitzerin Fecker-Seibold ist völlig perplex. Auf Nachfrage erfährt sie, dass die beiden Männer beauftragt wurden, mit Strom vom Geflügelhof die provisorische Ampelanlage an der wenige Meter entfernten Einmündung zur vierspurigen B27 in Gang zu setzen. "Mit mir hatte zuvor niemand vom zuständigen Balinger Landratsamt über eine Ampel und deren Stromversorgung gesprochen", erinnert sich die Hofbesitzerin. Nach einem kurzen Gespräch erklärte sie sich aber unbürokratisch bereit, das Kabel durch ein gekipptes Fenster zu einer Steckdose zu führen. Man versicherte Fecker-Seibold noch, dass es sich nur um eine vorübergehende Maßnahme handele, bis die dortige Bundesstraßenbaustelle beendet sei.

Der Tag des Baustellenendes kam, die Ampel aber blieb stehen. Hatte man doch inzwischen auch beim Landratsamt gemerkt, dass sie für mehr Sicherheit an dieser unfallträchtigen Kreuzung sorgt. So wurde die Idee geboren, die Ampel-Zwischenlösung zur Ampel-Dauerlösung zu machen, bis eines Tages an der Einmündung in die B27 und an der benachbarten Einmündung in die B463 zwei Kreisverkehre gebaut werden. Stand heute soll dies im kommenden Jahr realisiert werden.

Sabrina Fecker-Seibold wurde über diese Entwicklung nicht informiert. "Diesen Schuh müssen wir uns anziehen, die Informationen hätten besser laufen können", sagt Landrat Günther-Martin Pauli. Am 2. August 2018 suchte sie schließlich von sich aus das Gespräch mit einem Vertreter des Straßenbauamtes des Zollernalbkreises. Er bestätigte ihr, dass die Ampel stehen bleibt. "Er sagte, sie habe sich schließlich bewährt." Ungeklärt aber bleibt die Frage, wer für den verbrauchten Strom finanziell aufkommt. Zunächst erhält sie von der Kreisbehörde nach eigener Aussage keinen Cent.

EnBW kommt und geht wieder

Stattdessen tauchen Mitarbeiter der EnBW auf und wollen eine Stromleitung verlegen. Der Auftrag wird abgebrochen, nachdem die erneut völlig verdutzte Hofbesitzerin klar macht, dass die vorbereitenden Markierungen auf ihrem Grund und Boden vorgenommen werden. Letzteres sei nicht korrekt, betont Landrat Günther Martin Pauli. "Es ist ein öffentlicher Weg", lediglich die Baulast liege bei der Familie Fecker.

Schließlich wird ein Kompromiss gefunden. Das Landratsamt lässt eine Außensteckdose und einen kleinen separaten Zähler installieren. Vorausgegangen war ein Gespräch im Landratsamt, an dem auch ein von Fecker-Seibold inzwischen mit der Angelegenheit beauftragter Rechtsanwalt teilnahm. Wer glaubt, die Geschichte ende hier mit einem gütlichen Ergebnis, der irrt gewaltig.

Für Fecker-Seibold kam es jetzt erst richtig dick. Denn die Stromrechnung wurde weiterhin nicht beglichen. Sie wendet sich mit einem Schreiben an den Ersten Landesbeamten Matthias Frankenberg und fordert, die Rechnung zu begleichen. Nichts geschieht. Am 30. Oktober 2018 schreibt sie an den Stellvertreter des Landrats. "Sollten Sie diese Mail ebenfalls ignorieren und die offenstehende Rechnung nicht anweisen, werden wir am 12. November den Strom abstellen." Am selben Tag noch reagiert Frankenberg und schreibt zurück: "... danke für Ihre E-Mail. Ich werde mich darum kümmern, dass die Rechnung bezahlt wird." So war es dann auch.

Stromlieferung erweist sich als illegal

Der Winter 2018/19 kam und ging, die Ampel lief, der Strom wurde bezahlt. In dieser Zeit hatte Sabrina Seibold-Fecker in anderer Angelegenheit immer wieder Kontakt mit dem Kreisbauamt. Eines Tages kam das Gespräch auf die Stromleitung für die Ampel. "Ob ich eigentlich wüsste, dass eine solche private Stromlieferung gar nicht erlaubt sei." Wohlgemerkt, eine Stromlieferung, die ja extra auf Wunsch des Landratsamts eingerichtet worden war. Das könne im schlimmsten Fall dazu führen, dass für eine auf dem Feckerhof befindliche Photovoltaikanlage die Einspeisevergütung einbehalten wird.

Doch plötzlich war die Ampel aus. Das rief die Straßenverkehrsbehörde auf den Plan. Dort gab man Fecker-Seibold zu verstehen, dass sie sich strafbar mache, wenn sie die Ampel einfach abschalte.

Nun wurde es Sabrina Fecker-Seibold endgültig zu bunt. Im April schrieb sie ans Landratsamt, dass sie einen Termin bei Landrat Günther-Martin Pauli und dessen Stellvertreter Matthias Frankenberg wolle. Vier Wochen später reagierte die Behörde und schrieb: "Die Terminfindung hat sich leider etwas erschwert, da Sie kürzlich die Stromversorgung der Ampel widerrechtlich gekappt haben." Was das eine mit dem anderen zu tun hat, erschließt sich der Hofbesitzerin bis heute nicht.

Jetzt wird gegen den Vater ermittelt

Inzwischen haben Landrat Pauli und Fecker-Seibold miteinander telefoniert. "Ich habe Frau Fecker-Seibold erklärt, dass sie nicht einfach den Stecker ziehen könne, da dies den Verkehr an der Kreuzung gefährdet", resümiert Pauli das Gespräch. Die Antwort der Hofbesitzerin. "An der Kreuzung stehen Verkehrsschilder, die den Verkehr auch ohne Ampel eindeutig regeln." Pauli beteuert, dass ihm daran gelegen war, den Streit ohne juristisches Geplänkel beizulegen.

Doch dafür ist es nun zu spät: Inzwischen läuft bei der Staatsanwaltschaft Hechingen ein Ermittlungsverfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. Allerdings nicht gegen Fecker-Seibold, sondern gegen ihren Vater Jürgen Fecker. Warum, darüber rätselt man innerhalb der Familie. "Mein Vater hat doch mit der Sache gar nichts zu tun, der Betrieb läuft längst auf mich."

Und was ist nun mit der Ampelanlage? "Wir haben eine Lösung gefunden, die Stadtwerke Balingen sorgen in unserem Auftrag für Strom", sagt Landrat Pauli. Eine Firma aus dem Landkreis Esslingen war vor Ort und hat die lichtlose Zeit an der B27-Ausfahrt beendet.


Dieser Text ist zuerst im Zollern-Alb-Kurier erschienen.


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