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Die Fronten immer im Fokus

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Bei Kontext hat er angefangen, danach war er immer dort, wo sich Menschen wehren. Am vergangenen Samstag war Chris Grodotzki einer von drei Fotografen, die in der Türkei festgenommen wurden. Der 25-Jährige hatte die Kurdenproteste in Diyarbakir mit der Kamera festgehalten. Das Bild oben ist eines seiner letzten vom Ort des Geschehens.

Chris Grodotzki ist an diesem Montag (13. 10.) ein gefragter Mann. Ihn in Diyarbakir ans Handy zu bekommen ist gar nicht so einfach. Schließlich wollen all die Unterstützer, Journalistenkollegen und Freunde persönlich hören, wie es ihm geht, nach 31 Stunden in türkischem Gewahrsam, aus dem er und seine zwei Kollegen vor wenigen Stunden glücklich freigekommen sind. "Ich bin perplex über das riesige Medienecho", sagt der Fotojournalist noch ganz atemlos und freut sich. Endlich frei.

"Süddeutsche Zeitung", "Spiegel online", taz, "Welt", FAZ, "Zeit online", Reporter ohne Grenzen – sie alle haben berichtet über die drei deutschen Journalisten, die in Diyarbakir die Kurdenproteste dokumentieren wollten und vergangenen Samstag gegen 21 Uhr dort festgenommen worden waren. "Dieses Medienecho, die Unterstützung der deutschen Botschaft in Ankara haben dazu geführt, dass wir heute früh um vier Uhr die Polizeistation verlassen konnten", sagt Grodotzki. Während des Telefonats sitzt er noch mit seinen zwei Kollegen Ruben Neugebauer, Björn Kietzmann und der kurdischen Anwältin Suzan Eric zusammen. Vermutlich, so Grodotzki, wird es ein Verfahren geben, bei dem die drei Journalisten allerdings nicht anwesend sein müssen. Die Anwältin bleibt dran, die Reporter wollen die Türkei bald verlassen.

Noch vor drei Wochen hat Grodotzki, der derzeit in Hannover Fotojournalismus studiert, Kontext besucht, wie meist, wenn er zu Besuch in Stuttgart ist. Und wie immer ist er mit seinem Skateboard unterm Arm und seiner Mütze auf dem Kopf in die Wochenkonferenz am Mittwoch geschlappt und hat dort über sein neues Projekt berichtet: Gemeinsam mit Freunden wolle er einen privaten Hilfstransport Richtung Syrien begleiten, der medizinische Geräte und warme Kinderkleidung bis ins umkämpfte Aleppo bringen soll. Auch die drei Transporter sollen in Syrien bleiben und dort als Krankenwagen genutzt werden können. Der junge Kollege berichtete davon in der ihm eigenen, unaufgeregten Art. Chris Grodotzki ist keiner, der den Lautsprecher geben muss, wenn ihm eine Sache wichtig ist. Und weil Kontext auch über den Stuttgarter Kessel schaut, baten wir den Kollegen, die Augen offen zu halten.

Chris Grodotzki ist einer, der die Welt verbessern will. Solche Jungjournalisten, sagte jüngst Annette Milz, die Chefredakteurin des "mediummagazins", suchen Chefredakteure heute händeringend. Der Junge ist mit seiner Kamera immer da, wo Menschen sich wehren. Er lebte und dokumentierte den Protest im irischen Dörfchen Rossport, wo sich Bauern und Fischer gegen den Bau einer Erdgas-Pipeline des Ölkonzerns Shell auflehnen. Mitten durch ihr Dorf soll sie führen.  Er reiste mehrere Wochen nach Calais, um das Leben der dort gestrandeten Flüchtlinge in Film und Foto festzuhalten. Für diese Multimediaarbeit erhielt er im vergangenen Jahr den dpa-Nachwuchspreis.

Und auch in Stuttgart ist Chris Grodotzki kein Unbekannter. Jahrelang hat er den Protest gegen das Bahnprojekt Stuttgart 21 dokumentiert, den Wasserwerfereinsatz gegen die Schülerdemo am Schwarzen Donnerstag, das Camp und die Baumhäuser im Schlossgarten, die Demonstrationen und Blockaden vor dem Bahnhof. Auch die Besetzung des Nordflügels im Juli 2010 hat der junge Fotograf festgehalten. Schon damals wurde er von der Polizei festgenommen und mehrere Stunden festgehalten. In einem offenen Brief protestierte er gegen die "massive Einschränkung der Pressefreiheit". Das war in Deutschland.

Nun also begleitete er den Hilfstransport von Berlin nach Syrien. Als sich der an der syrischen Grenze in der türkischen Bürokratie verfing, reisten Chris Grodotzki und seine zwei Kollegen nach Diyarbakir in Südostanatolien, wo sich seit geraumer Zeit kurdischer Protest gegen die türkische Politik formiert. Während die IS (Islamischer Staat) in der syrischen Stadt Kobanê die kurdische Bevölkerung abschlachtet, stehen wenige Hundert Meter entfernt an der Grenze die türkischen Streitkräfte und schauen tatenlos zu.

Die deutschen Fotografen fotografierten in Diyarbakir die Straßenblockade, die kurdische Protestierende errichtet hatten, sie zogen sich zurück, als die türkische Polizei mit Tränengas anrückte. Doch das half ihnen nicht. "Plötzlich wurden wir von Zivilisten festgehalten und an die Polizei übergeben", so Chris Grodotzki. Sie wurden mehrfach von der Polizei verhört, sie wurden ins Krankenhaus gefahren, damit dokumentiert wurde, dass sie nicht geschlagen oder verletzt wurden. "Die Verhöre waren anstrengend, aber der Gewahrsam war in Ordnung", sagt der Fotograf gegenüber Kontext. Nur die Festnahme sei aggressiv gewesen, zwei der Touristen, die mit ihnen unterwegs waren, seien in den Bauch getreten und auf den Kopf geschlagen worden. Sie selbst seien zwar bedroht, aber nicht geschlagen worden.

Beschuldigt werden die Journalisten der Spionage und der Provokation. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte zuvor internationale Mediengruppen bezichtigt, hinter den Protesten im Land zu stecken. Die türkische Zeitung "Takvim" sprach von Spionen, die die Protestierenden in Diyarbakir aufgestachelt hätten. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) begrüßte die Freilassung von Grodotzki und seiner zwei Kollegen, kritisierte jedoch den Umgang mit der Türkei mit Medien als "inakzeptabel". "Wir brauchen Bilder und Berichte von Medienprofis wie diesen, um das Geschehen rund um die Krisenherde und die Welt zu verstehen und politisch handlungsfähig zu bleiben", sagte die dju-Geschäftsführerin Cornelia Haß. Die Türkei unter Präsident Erdogan sei nicht zum ersten Mal dadurch negativ aufgefallen, dass sie die Pressefreiheit massiv verletze. Haß verwies auf die rund 50 Journalisten, die in der Türkei schon seit geraumer Zeit inhaftiert seien, und forderte die türkische Regierung auf, die Anklagen gegen die Kollegen fallen zu lassen.

Ende dieser Woche will Chris Grodotzki in Deutschland zurück sein. Bis das juristische Verfahren in Diyarbakir abgeschlossen ist, rechnen er und seine beiden Kollegen mit Kosten im fünfstelligen Bereich. Der Journalist Benjamin Hiller von der Berliner Unterstützergruppe freerubenchrisbjoern hat gemeinsam mit den Reportern ohne Grenzen ein Spendenkonto eingerichtet. Das Geld soll dazu verwendet werden, die Anwaltskosten aufzubringen. Was je zu viel wäre, würde für die Notfallhilfe der Reporter ohne Grenzen verwendet.

 

Das Spendenkonto:
Reporter ohne Grenzen
IBAN DE26100900005667777080
BIC BEVODEBB
Stichwort: freerubenchrisbjoern


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4 Kommentare verfügbar

  • Stephan Becker
    am 16.10.2014
    Antworten
    Ich weiß bis heute nicht genau was ich von Herrn Erdogan halten soll:

    Im Januar 2009 beim Weltwirtschaftsforum in Davos gab es durch Herrn Erdogan einen Eklat, weil er vom Moderator vorzeitig in seiner Rede abgewürgt wurde (es ging um den israelischen Einmarsch in den Gaza-Streifen am 26.…
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