Es ist kalt und es regnet. Eigentlich nicht die besten Voraussetzungen für einen mehr als zweistündigen Stadtrundgang. Doch in diesem Fall passt es. Wer eine Vorstellung, einen Einblick gewinnen will, was es heißt, kein Dach über dem Kopf zu haben, muss sich damit auseinandersetzen, wie es sich anfühlt, nachts im kalten Regen auf der Straße zu sein.
"AR-Mut" lautet der Titel des performativen Stadtrundgangs, den die Theatergruppe Citizen Kane Kollektiv zusammen mit der Straßenzeitung "Trott-war" anbietet. AR steht für Augmented Reality, erweiterte Realität. Darunter versteht man die digitale Anreicherung der Realität, wie man sie direkt mit den eigenen Sinnen erleben kann, mit zusätzlichen Informationen und Bildern. Hier lässt sich der Begriff aber auch umgekehrt lesen: Der Stadtrundgang bietet erweiterte Erkenntnisse und Sinneseindrücke zu Armut und Obdachlosigkeit, die normalerweise aus der Wahrnehmung ausgeblendet bleiben.
Hauptperson ist Conny von "Trott-war", die auch sonst alternative Stadtführungen zum Leben auf der Straße anbietet. Nach ein paar einleitenden Erläuterungen von Maximilian, Simon und Christian vom Citizen Kane Kollektiv ergreift sie das Wort und fragt zunächst jede:n der etwa 15 Teilnehmer:innen nach dem Namen und was er oder sie sich wünscht: Reisen, sagt eine Frau, ein Mann hätte gerne Frau, Haus und Kinder. "Eine Familie", folgert Conny. Eine weitere Teilnehmerin erklärt, sie wolle anderen Menschen helfen. Conny hakt nach: "Nur geben oder auch nehmen?" Nur Almosen empfangen fühlt sich nicht gut an. Auch Bedürftige wollen als gleichwertige Menschen akzeptiert werden und auch etwas zurückgeben.
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