Die Teilnehmer:innen der inklusiven Schreibwerkstatt sitzen um einen Tisch im Blauen Haus, dem Stadtteiltreff der Tübinger Weststadt. "Früher war hier ein griechisches Restaurant", sagt Cathrin Zeller-Limbach, die ehrenamtlich für die Lebenshilfe Tübingen arbeitet. Daher sei das Haus auch blau gestrichen. Jetzt reichen sich die Teilnehmenden statt Pitabrot und Tzaziki Butter und Marmelade, mit der sie Hefezopfscheiben bestreichen.
An diesem Tag stehen Märchen auf dem Programm. Um in das Thema hineinzukommen und zur Inspiration, haben Zeller-Limbach und ihre Kollegin Rita Fink eine Art Wimmelbild voller Märchenfiguren mitgebracht. Die Teilnehmerin Clara Buchgeister spricht über Dornröschen. "Ein Mädchen, das ein bisschen länger schläft", sagt sie und alle lachen, weil das schon untertrieben ist für einen hundertjährigen Schlaf. Buchgeister lacht mit. Cristine Hansper hat die Kuscheltier-Maus Luna neben Zettel und Stift auf den Tisch gesetzt: "Eine kleine Maus, die vor nichts Angst hat", so stellt Hansper, die gerne auch mal ein eigenes Buch schreiben will, sie vor.
Die Schreibwerkstatt ist ein Kooperationsprojekt, an dem neben der Lebenshilfe unter anderem auch die Initiative "Tübingen aktiv gegen Diskriminierung" beteiligt ist. Sie ist offen für alle – ob mit oder ohne Behinderungen und Einschränkungen. An diesem Samstag ist sie Teil des inklusiven Literaturfestivals Tübingen, das noch bis 31. Oktober ein großes Programm mit rund 35 Workshops, Lesungen, Performances und Podiumsdiskussionen anbietet.
Mut, einfach loszuschreiben
Während der Schreibphase konzentrieren sich die Teilnehmer:innen auf ihre Texte. Cristine Hansper hat das Märchen "Frau Holle mal anders" zu Papier gebracht und liest vor: Die Maus Luna und ihr Freund, der blaue Bär, wünschen sich, dass Schnee fällt. Gespannt hören die anderen zu. Als Luna vorschlägt, einen Schneetanz aufzuführen, meint der Bär: "Das sollte man versuchen." Obwohl der Plan – wider aller Erwarten – nicht aufgeht, lernen die beiden schließlich einen Raben kennen, der bei Frau Holle wohnt. Und so kommen sie doch noch an ihren Schnee.
Auch Fabian Schuster liest sein Märchen vor. Ein König wundert sich, dass seine Frau ein Töchterchen will – und kein Söhnchen. Nachdem eine Fee nachgeholfen hat, bekommt das Paar nichtsdestotrotz einen Prinzen und eine Prinzessin. Doch der Prinz kommt ganz nach der Mutter, die Prinzessin nach dem Vater. Und das Schloss? Das gebe es wirklich: Neuschwanstein.
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