"Hello", "guten Morgen": Die ukrainischen Schüler:innen strömen fröhlich in ihr Klassenzimmer, grüßen einander auf englisch und auf deutsch. Der Geschichtslehrer Martin Gansen lächelt: "Good morning", grüßt er in die Runde. Das helle Klassenzimmer der kaufmännischen Schule in Stuttgart füllt sich mit den Stimmen der ukrainischen Jungen und Mädchen, es ist für sie ein neuer Tag an einer deutschen Schule. An diesem Maitag erwartet die rund 20 Schüler:innen ein besonderer Unterricht: Sie werden eine Reise durch Stuttgart antreten, die ebenso eine Reise in die Vergangenheit ist.
"Heute werden wir zu Fuß und mit dem Bus historische Plätze besuchen", erklärt Martin Gansen. "Wir werden über Zwangsarbeiter:innen im Zweiten Weltkrieg sprechen, über das Schicksal von Millionen Menschen verschiedener Nationalität, die gezwungen wurden, in Deutschland zu arbeiten. Wir werden an die Plätze gehen, wo sie gearbeitet und gewohnt haben und wo sie begraben sind. Dabei versuchen wir zu verstehen, wie das passieren konnte. Und welche Lehren wir daraus für heute ziehen können."
Auch das gehört zu Martin Gansens Geschichtsunterricht. Seit einigen Jahrzehnten beschäftigt sich Deutschland mit dem Schicksal der Zwangsarbeiter:innen. Seit den 1990er-Jahren sei diese Aufarbeitung besonders dringlich geworden. Und die Initiative kam von den Menschen vor Ort. Sie fragten, welche Firmen arbeiteten mit Zwangsarbeiter:innen, wie viele waren es und aus welchen Ländern kamen sie? Sie recherchierten, studierten Dokumente, die Medien berichteten. Der Stadtjugendring Stuttgart entwickelte historische Touren für Jugendliche, die Tour über Zwangsarbeiter:innen ist eine davon. An diesem Maitag wird sie speziell für diese Klasse organisiert, für diese jungen Menschen aus der Ukraine.
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Andrea
am 19.05.2022