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Ausstellung F. C. Gundlach

Ikonen im Schaufenster

Ausstellung F. C. Gundlach: Ikonen im Schaufenster
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 Fotos: F. C. Gundlach 

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Mode ist mehr als Klamotte. In der Mode spiegelt sich der Geist einer Zeit, Befindlichkeit, Zustand und Entwicklung einer Gesellschaft. Der Modefotograf F. C. Gundlach hat das dokumentiert. Seine Bilder sind Ikonen. Einige davon sind gerade im Schaufenster von "Michas Lädle" in Stuttgart zu sehen.

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Er hat die Frauen der Wirtschaftswunder-Zeit auf Film gebannt, das neue Frauenbild durch die Erfindung der Pille, die Flower-Power-Zeit, dann den Punk, der das Hässliche in die Mode brachte. Aber der Modefotograf F. C. Gundlach hat nicht nur Kleidung an Mannequins fotografiert, sondern wie kaum ein anderer durch die Epochen der deutschen Nachkriegsära Zeitzeugen-Dokumente geschaffen.

F. C. Gundlach, eigentlich Franz Christian Gundlach, 1926 im hessischen Heinebach geboren, verlor schon mit zehn Jahren sein Herz an die Fotografie. Ein Außenseiter im Ort, einer, der gerne alleine war und nicht gut damit zurecht kam, dass die Gäste im Gasthof der Eltern ständig wechselten und die Eltern kaum Zeit fanden für den Sohn. So erzählte er es zu seinem 90. Geburtstag der "Zeit" in einem Interview. Und weil er den Betrieb der Eltern nicht übernehmen wollte, machte er sich auf, die Welt mit seiner Kamera zu erkunden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, er wurde auf den letzten Metern noch als Soldat eingezogen, besuchte er eine Fotografie-Schule, ging erstmals in seinem Leben nach Paris, arbeitete in den Fünfziger Jahren als Assistent in Stuttgart bei der Modefotografin Ingeborg Hoppe. Gundlach fotografierte Stars wie Hildegard Knef und Romy Schneider, Homestories mit Filmstars, später war er dank eines Engagements für die Lufthansa rund um den Globus unterwegs, produzierte Reisereportagen, zu einer Zeit, als sich das Fliegen noch kaum einer leisten konnte. "Film und Frau", eine Zeitschrift für gehobenes Publikum, das in der Wirtschaftswunderzeit die Nachwehen des Krieges vergessen wollte, wurde 1953 zu seinem größten Auftraggeber.

Später arbeitete er für "Brigitte", fotografierte auch Prêt-à-porter, also Mode von der Stange, die im Gegensatz zur maßgeschneiderten Haute Couture damals noch skeptisch beäugt wurde. F. C. Gundlach, Pelz- und später Wein-Liebhaber, hatte ein feines Sensorium für Geschichten, die er in seinen Modefotos einschrieb und wurde so selbst zu einem Teil der Geschichte der Mode und einem der bedeutendsten Modefotografen der Fünfziger bis Siebziger Jahre.

Und nicht nur das. Wie kaum ein anderer setzte er sich ein für die Profi-Fotografie. Weil es für Fotografen kaum Infrastruktur gab, zog Gundlach im Hamburger Medienbunker an der Feldstraße ein Dienstleistungsunternehmen auf, mit einem Laden, Laboren, Studios, einer Buchhandlung mit Fachbüchern. Später, Mitte der Siebziger, richtete er dort die PPS. Galerie F. C. Gundlach ein, eine der ersten Galerien, die Fotografien ausstellten, mit weltweitem Renommee. Damit begann er, der Fotografie den Weg zu ebnen in die Museen, in den Kunsthimmel, der bis dahin der Malerei vorbehalten gewesen war.

Gundlach sammelte auch, kuratierte Fotoausstellungen, konzipierte das Haus der Photographie in den Hamburger Deichtorhallen und rief 1999 die Triennale der Photographie ins Leben: ein Fotofestival, das seitdem alle drei Jahre in Hamburg stattfindet. Gundlach war viele Jahre Dozent, später wurde er zum Professor an die Hochschule der Künste Berlin berufen.

Im Juli 2021 starb er mit 95 Jahren. Kurz zuvor hatte sich der Stuttgarter Künstler Klaus Fabricius noch wegen einer zu planenden Ausstellung mit ihm getroffen. Es gab Martini, von Gundlach selbst gemixt, "er machte wohl den besten, so heißt es", sagt Fabricius am Telefon. Ein toller Abend sei das gewesen, großartig auch, den berühmten Fotografen persönlich zu treffen. Die geplante Gundlach-Ausstellung musste wegen Krankheit verschoben werden. Und dann – war Gundlach verstorben. Die Ausstellung wird nun nachgeholt, an anderem Ort als gedacht, als Fensterschau im Schaufenster von Michas Lädle in der Weißenburgstraße 8 in Stuttgart. Ein Besuch lohnt sich.


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1 Kommentar verfügbar

  • Irene Waller
    am 01.04.2022
    Antworten
    zu Michas Lädle. Was ist das? eine Galerie? Man hätte sich ein paar mehr Infos zu den Beziehungen zwischen dem Lädle und dem Fotografen gewünscht. Oder gibt es keine?
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