Ivo Gönner, der langjährige Oberbürgermeister und glühende Stuttgart-21-Befürworter, hält die Entscheidung der Bahn für einen "großen Vertrauensbruch" und einen "Granatenfehler". Die Stadt habe der Bahn sogar angeboten, das Bahnhofsgebäude zu kaufen, erzählt er auf Kontext-Nachfrage. Dazu hätten aber für den Bahnbetrieb notwendige Anlagen ausgebaut werden müssen. "Mit der Bahn braucht man einen langen Atem", meint Gönner. "Wenn’s nicht diese Generation ist, dann macht’s halt die nächste."
Standhaftigkeit galt schon in der Antike als Tugend. Nur hat sich die Ausgangslage seit 2008 geändert. "Eröffnet – und schon aus der Zeit gefallen", titelte die "Schwäbische Zeitung" zur Eröffnung der Sedelhöfe. Auch die Passage ist eigentlich von gestern, nicht nur weil sie nun auf absehbare Zeit ein Rumpf bleibt. Die Bürger wünschen sich oberirdische Querungen. Eine Untersuchung im Jahr 2016 ergab sogar, dass anstelle der vorgesehenen vierspurigen Straße auch nur eine Spur pro Fahrtrichtung "in der Spitzenstunde aus verkehrlicher Sicht machbar" sei. Der Gemeinderat fand eine salomonische Lösung: Er votierte für drei Spuren.
Nun wird seit Jahren vor dem Bahnhof ein neues Parkhaus mit 540 Stellplätzen gebaut, das dazu noch den Busbahnhof um 200 Meter nach Süden schiebt. Wozu? Es gibt bereits das Deutschhaus-Parkhaus mit 594 und jetzt auch die Tiefgarage der Sedelhöfe mit weiteren 700 Plätzen. Wollte die Stadt Ulm nicht mehr Menschen zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr zu bewegen?
New York in Ulm
Zum Masterplan Citybahnhof gehört aber nicht nur der Bahnhof selbst und sein unmittelbares Umfeld. Ganze Areale sollen der Stadtentwicklung neu erschlossen werden. Das Dichterviertel auf der Bahnhofs-Westseite, bisher eingeklemmt zwischen Bahngleisen und der autobahnartigen B 10, sollte durch die direkte Anbindung an den Bahnhof eine Aufwertung erfahren. "Die Stadt Ulm hält nach wie vor daran fest", heißt es nun auf Kontext-Nachfrage.
Tatsächlich hat sich dort bereits einiges getan: Am äußersten Ende, am Blaubeurer Tor, also dem Kreisverkehr um das alte Tor der Bundesfestung mit der B 10 darüber, ist vor Kurzem ein zweiter Häuserblock fertig geworden, erstellt von dem Entwickler Pro Invest, der dort gleich selbst Quartier bezogen hat.
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