"Leute, wir müssen reden", beginnt Manuel Hagel (CDU) seine Philippika per Facebook-Video. Den Geist des Dialogs atmet die allerdings nicht. Sogleich senkt er die Hellebarde gegen den "öffentlichen Rundfunk, den wir alle finanzieren mit unseren Gebühren und der deshalb eine verdammte Verantwortung gegenüber uns hat". Die Vorwürfe haben es in sich, gegenwärtig werde "gerade mit unseren Gebührengelder in Lagern gedacht". Der Spitzenkandidat für die baden-württembergische Landtagswahl 2026 fordert, es müsse "endlich die ganze Sichtweise dieser Gesellschaft" wieder mehr abgebildet werden. Und dann versichert er der geschassten NDR-Moderatorin Julia Ruhs auch noch seine "ganze Solidarität".
Hagel ist aufs Trittbrett einer Kampagne mit Kulturkampf-Charakter aufgesprungen. Der NDR hat sich von einer inner- und außerhalb des eigenen Hauses umstrittenen freien Mitarbeiterin getrennt. Allerdings waren die Verantwortlichen schlecht vorbereitet. Schnell erhob sich ein gewaltiger Proteststurm in einschlägigen Meiden, bei rechten Nachrichten-Portalen, ebenso in der Springer-Presse. Gefühlt stündlich brachte die "Welt" in ihrem TV-Programm neue Bewertungen des Vorgangs, wohlkalkuliert und immer mit derselben Stoßrichtung: gegen den "Rotfunk". Eine Bezeichnung, die viele Jahre allein und zu Unrecht auf den WDR im so lange SPD-regierten Nordrhein-Westfalen gemünzt war. Und die inzwischen über alle Sender des Öffentlich-Rechtlichen ausgegossen wird.
Der neue NDR-Intendant Hendrik Lünenborg hätte sich früher zu Wort melden müssen. Die "Kommunikation war an der Stelle wirklich nicht optimal", räumt er wenige Tage nach seinem Amtsantritt am 18. September ein, "das kann man gar nicht anders sagen, denn wir haben ja das Format fortgesetzt." Um solche nicht gerade nebensächlichen Details geht es aber nicht. Auch nicht darum, dass Ruhs das gemeinsam mit dem Bayerischen Rundfunk (BR) produzierte Magazin "Klar" ohnehin auf dessen Ticket weiter moderieren wird. Als Teil jener Generation übrigens, "die vor Klimaaktivisten, Gender-Bewegten und Zeitgeist-Anhängern scheinbar nur so strotzt", wie es in ihrer Vorstellung heißt, um "denjenigen eine Stimme zu geben, die sich darin nicht wiederfinden und sich oft allein fühlen mit ihrer Meinung".
Staatsferne unter Beschuss
Es geht Ruhs' vielen Fans in der realen und digitalen Welt nicht einmal nur um Stimmungsmache, sondern darum, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich an den Karren zu fahren. Etwa, wenn CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann in AfD-Manier und vorbildlicher Offenheit verlangt, "endlich Druck" entstehen zu lassen, am besten durch ein "Einfrieren des Rundfunkbeitrags". Keine Rede mehr von Staatsferne, davon, wie regelmäßig gerungen wird, wenn die unabhängige "Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF)" ihren Vorschlag erarbeitet. Vielmehr wähnt sich der zweitmächtigste Mann im Konrad-Adenauer-Haus im Recht mit seiner Idee aus der populistischen Giftküche und dem Wunsch nach direktem Zugriff auf einen Eckpfeiler der "Vierten Gewalt".
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