Ein trüber Tag im September. Das Gebäude im Westen von Wiesloch konkurriert mit dem Himmel um die vielfältigsten Grautöne. Auf der rechten Seite wuchert Efeu über die Fassade, über den Eingang beugt sich eine knorrige Trauerbuche. Die Decken sind undicht, einige bereits heruntergebrochen. Im Winter bildet sich im zugigen Glasübergang nach Regenfällen eine Eisfläche auf dem Boden. Für Farbtupfer sorgen nur Graffitis und die Gemälde unzähliger Abiturjahrgänge, die sich auf den Mauern verewigt haben. Kein Lost Place, sondern das Ottheinrich-Gymnasium (OHG) der 27.000-Einwohner:innen-Stadt. Vor gut einem Jahr hat sich der Schulleiter in einem offenen Brief an den Gemeinderat gewandt. Auf vier Seiten beschrieb Christian Annuschat darin den Zustand seiner "extrem geschundenen Schule", mit Großbuchstaben und Ausrufezeichen forderte er den Gemeinderat auf, endlich etwas zu unternehmen.
Oberbürgermeister Dirk Elkemann (parteilos) atmet tief durch, als das Gespräch auf das Ottheinrich-Gymnasium kommt. Er kennt den Zustand der Schule, natürlich. "Erbarmungswürdig" sei er und nicht länger tragbar. "Wir haben in den vergangenen Jahren eine Gemeinschaftsschule für 20 Millionen Euro neu gebaut, die Realschule grundsaniert für zehn Millionen Euro und jetzt haben wir das Gymnasium vor dem Bug", sagt er. Es klingt, als würde er über einen Eisberg reden, der das Gemeindeschiff jederzeit zum Kentern bringen könnte. 34 Millionen Euro soll die Sanierung kosten. "Das sprengt eigentlich komplett unseren Rahmen." Normalerweise investiert die Gemeinde zwischen fünf und sieben Millionen Euro im Jahr. "Wir müssten eigentlich sagen: Die nächsten fünf Jahre machen wir nur das OHG – aber das geht selbstverständlich nicht."
Nur vier Kilometer Luftlinie vom OHG entfernt liegt das Schulzentrum von Walldorf. 2023 hat die Kleinstadt hier groß gefeiert und einige neue Gebäude offiziell eingeweiht. Die Mensa mit Räumen für die Ganztagsbetreuung, die Sporthalle mit Waldblick, die Außenanlage mit Kunstwerken. 28,5 Millionen Euro kosteten die Baumaßnahmen, die Walldorf aus dem laufenden Betrieb und den Rücklagen gestemmt hat, wie Bürgermeister Matthias Renschler (FDP) berichtet. Gerade saniert die Stadt alle Sanitäranlagen im Schulzentrum – und schafft dabei auch genderneutrale Toiletten. Der gute Ruf des Gymnasiums, einer Stützpunktschule für Molekularbiologie, reicht weit über die kleine Stadt hinaus. Etwa 1.000 Schüler:innen lernen hier, nur etwa die Hälfte kommt tatsächlich aus Walldorf. Alle stattet die Stadt, die selbst nur 16.000 Einwohner:innen hat, mit iPads aus.
2 Kommentare verfügbar
Gerald Wissler
am 19.03.2025Lage, Lage und Lage.
Deshalb ist der Einfluß der Kommunalpolitik auf die Höhe der Einnahmen aus der Gewerbesteuer bis auf Ausnahmen wie Monheim eher gering. Das kann aber schlecht als Beispiel für ganz…