Milch gegen Moor
Doch dagegen regt sich Kritik. Der CDU-Landtagsabgeordnete Raimund Haser aus Kißlegg setzt sich zwar selbst gemeinsam mit dem Bund Naturschutz Oberschwaben für den Schutz von Mooren ein, sieht sich aber selbst als Praktiker und Realist. Haser hält die gegenwärtige Grünlandwirtschaft für ausreichend zum Schutz von Moorböden und beruft sich auf Einschätzungen unter anderem durch die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg.
Nach Angaben des Umweltministeriums gibt es in Baden-Württemberg aktuell rund 22.000 Hektar Grünland und 2.000 Hektar Acker. Betroffen von der Wiedervernässung wären laut Haser fast ausnahmslos Flächen, "die für die Milchwirtschaft in den Grünlandregionen – mit entsprechendem Wertstoffkreislauf auf Basis natürlichen Düngers (Gülle) – genutzt werden. Diese Flächen befinden sich fast ausschließlich in Privatbesitz und werden von biologischen und konventionellen Milchviehbetrieben zur Futterproduktion genutzt". Er verweist auf den Landkreis Ravensburg. In den Grünlandstandorten dort werde immerhin ein Fünftel der Milch Baden-Württembergs erzeugt. "Die Betriebe sind auf die Bewirtschaftung der Flächen angewiesen. Dementsprechend wird jede flächenwirksame Diskussion – auch die Biosphäre – sehr kritisch gesehen. Und dementsprechend schwierig ist der Landerwerb".
Haser lehnt, wie offenbar das Landwirtschaftsministerium, weiter gefasste Definitionen von Moorböden ab und will sich auf die erfolgreichen Wiedervernässungsprojekte konzentrieren. Das seien zumeist nicht bewirtschaftete Moore, die einst zur Torfgewinnung entwässert und nun wiedervernässt und wiederbelebt werden wie Bad Wurzach, Isny, Federsee, Gründleried, Adelegg. Damit gebe es im Land ohnehin genug zu tun. Der CDU-Mann plädiert für das Miteinander von Naturschutz und Landwirtschaft. Dieses funktioniere seit den 1950er-Jahren einwandfrei, sagt er. Als gelungenes Beispiel für Moorschutz erwähnt er das Projekt "Naturvielfalt Westallgäu" des Naturschutzbundes (Nabu). "Dort werden mit Land- und Forstwirten und Hand in Hand mit den Eigentümern große, wertvolle Flächen wiedervernässt werden. Mit Geld für den Landkauf, ohne das man nicht weiterkommt", so Haser.
Abgesenkte Böden, hochgesteckte Ziele
Das Projekt "Naturvielfalt Westallgäu" ist einer von 30 Hotspots der biologischen Vielfalt in Deutschland, in einem Gebiet, das über eine besonders hohe Dichte und Vielfalt charakteristischer Arten und Lebensräume verfügt. Die Projektregion umfasst eine Fläche von rund 800 Quadratkilometern und liegt zwischen Bad Wurzach, Isny und Wangen. Dass die Wiedervernässung ein mühevolles Unterfangen ist und viel Überzeugungsarbeit braucht bei Gesprächen mit den Landeigentümern, haben Jan Bolender und Siegfried Kehl vom Nabu zur Genüge erfahren. Aber die Arbeit zahlt sich ihrer Erfahrung nach Schritt für Schritt aus. Auch private Eigentümer seien bereit, sich am Moorschutz zu beteiligen. Anders als Haser sind sie der Meinung, dass in der Grünlandwirtschaft auch nach alternativen Nutzungsformen gesucht werden muss. Die im Land weit verbreitete intensive Bewirtschaftung von entwässerten Moorböden verursacht in der Regel hohe Emissionen und führe zu einer Absenkung des Bodens, was eine langfristige und nachhaltige Nutzung erschwert. Eine dauerhafte Lösung könne nur in Zusammenarbeit von Naturschutz, Landwirtschaft und Wissenschaft gefunden werden.
Gegen Visionen haben die Nabu-Mitarbeiter grundsätzlich nichts einzuwenden. Da aber die vom Umweltministerium anvisierten Flächen zumeist in Privatbesitz sind, halten auch sie das Ziel von 43.000 Hektar Wiedervernässung für nur sehr schwer umsetzbar. Das weiß auch Karl-Heinz Lieber vom Umweltministerium, der davon spricht, dass sich Moorschutz lohnen müsse und dafür Wirtschaftsmodelle entwickelt werden müssten. Er weiß, dass die Bemühen enorm gesteigert werden müssen. Denn laut Umweltministerium wurden in den vergangenen Jahren in Baden-Württemberg gerade einmal etwa 640 Hektar Moorfläche wiedervernässt.
Da stellt sich die Frage, ob es bei einer solchen Diskrepanz legitim ist, in der Klimabilanz des Landes mit einer eher unrealistisch großen Fläche zu rechnen. Aber dass dringend mehr für die Moore getan werden sollte, betont auch der Nabu, der in der Paludikultur eine große Chance sieht. Baden-Württemberg könnte sich dabei an anderen Bundesländern orientieren, wie etwa Bayern, wo man in einigen Bereichen bereits weiter fortgeschritten ist.
1 Kommentar verfügbar
Horst Tremp
vor 6 Tagendanke für den Artikel mit dem Titel „Sumpf ist Trumpf“ vom 02.10.2024.
Im Kontext steht, wie auch in der Neuen Züricher Zeitung (2022), dem Spiegel (2024) und an unzähligen anderen Stellen, „Moore speichern (…) bis zu sechsmal mehr Kohlenstoff je Hektar als vergleichbar große…