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CDU Baden-Württemberg

Alles auf Hagel

CDU Baden-Württemberg: Alles auf Hagel
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Baden-Württembergs CDU will wieder Nummer eins im Land werden und 2026 das grüne Interregnum in der Villa Reitzenstein beenden. Der Einsatz ist hoch. Denn die Partei wagt das Experiment einer noch nie dagewesenen Ämterkombination: Fraktion und Landesverband bekommen denselben Chef.

Am Montag hat Baden-Württembergs CDU-Chef Thomas Strobl erklärt, im November nicht mehr für den Landesvorsitz zu kandidieren, um seinem Zögling, dem 35-jährigen Manuel Hagel, Platz zu machen. Der hüllte sich zunächst offiziell in Schweigen, um sich zuerst der Konferenz der CDU-Kreisvorsitzenden zu präsentieren. Der Vorgang geht nicht nur die Schwarzen an. Er habe ein offenes, vertrauensvolles Verhältnis auch zu Hagel, erklärte Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) treuherzig. Angesprochen auf die weitreichende Personalrochade beim Koalitionspartner und die Auswirkungen auf die Zusammenarbeit, äußert der Ministerpräsident die Erwartung, "dass sich da groß mal überhaupt nichts ändern wird". Denn sein "Sparringspartner" sei nicht die CDU als Partei, weil die ohnehin eine wichtige Rolle speziell nur bei den Koalitionsverhandlungen nach Wahlen habe. Wenn sich der 75-Jährige da nicht mal gewaltig irrt. Die Erwartungen an den Generationswechsel und den neuen starken Mann sind schließlich richtig groß. Zumal Hagel versprochen hat, den lange Zeit so erfolgsverwöhnten Landesverband wieder schlagkräftiger zu machen und ihn zugleich zu verjüngen und Frauen größere Chancen zu eröffnen.

Abgeschnitten werden könnten ganz alte Zöpfe, denn innerparteiliche Machtkonzentration wurde über viele Jahre überaus kritisch beäugt an der Basis, im Mittelbau, aber auch unter den Spitzen der traditionell einflussreichen vier Bezirksverbände. Ministerpräsident Lothar Späth musste sich in den Achtziger Jahren sogar für die – vorübergehende – Abschaffung des Amtes eines Generalsekretärs verteidigen. Immer galt der Anspruch für alle selbstbewussten Vereinigungen und Arbeitskreise, wichtige Positionen einzunehmen, einzelne Stationen dienten dazu als Durchlauferhitzer für Höheres zuerst in Bonn, dann in Berlin. Dabei funktionierte das Zusammenspiel zwischen CDU-Ministerpräsidenten und CDU-Fraktionschefs oft keineswegs reibungslos. Genau in dieser Reibung lag aber die Würze, weil sich möglichst viele durch die "Baden-Württemberg-Partei" mitgenommen fühlen sollten und auch fühlten. Gegen und für die doppelte Staatsbürgerschaft in der ersten Gastarbeiter:innen-Generation hieß es unter Späth und dem damaligen Kronprinzen Erwin Teufel, für und gegen den Verkauf der EnBW unter Teufel und Günther Oettinger, um nur zwei der vielen Beispiele für den erfolgreichen programmatischen Spagat herauszugreifen.

Es geht mehr um Macht als um Inhalte

Ab dem Parteitag am 18. November und der absehbaren Wahl Hagels mit einem mutmaßlich hervorragenden Ergebnis zum erst siebenten Parteichef in der Landesgeschichte wird vieles anders. Ein smarter Slim-Fit-Typ aus der Randlage des Alb-Donau-Kreises mit stark schwäbischem Akzent und wiederkehrenden grammatikalischen Auffälligkeiten soll schultern, was alle Tandems oder Trios seit dem so schmerzlichen Verlust des Ministerpräsidentenamts im Jahr 2011 nicht geschafft haben: den anhaltenden Aufschwung aus eigener Kraft. Denn gegenwärtig schreiben Demoskop:innen auch der CDU hierzulande ins Stammbuch, dass der Gleichstand oder leichte Vorsprung vor den Grünen zum ganz überwiegenden Teil mit dem nicht gerade imponierenden Erscheinungsbild der Ampel in Berlin zu erklären ist.

Südwest-CDU für Fortgeschrittene

Die Union im Land ist – der Geschichte des Südweststaats wegen – ein äußerst komplexes Gebilde. Zwanzig Jahre überdauerten die vier starken Landesverbände die Gründung Baden-Württembergs. Erst 1972 fanden sich die Parteifreunde (und die damals wenigen -freundinnen) aus Nord- und Südbaden, aus Nordwürttemberg und Württemberg-Hohenzollern unter einem einzigen Dach zusammen. Der Regionalproporz wird bis heute großgeschrieben. Die Vorsitzenden der vier Bezirksverbände waren und sind mächtig, haben was zu sagen in der Partei, nicht zuletzt in Personalfragen. Erst 1991 entsteht das erste gemeinsame Grundsatzparteiprogramm, weil ohnehin, wie die Konrad-Adenauer-Stiftung analysierte, das Hauptaugenmerk der "langjährigen erfolgreichen Regierungspartei nicht auf der Programmarbeit lag". Die Partei stellte den Ministerpräsidenten, der zugleich den Landesvorsitz innehatte, die Fraktion führte der Kronprinz im Aufstiegsmodus. (jhw)

Eines bringt der gelernte Bankbetriebswirt, der erst seit 2021 Fraktionschef im Landtag ist, auf jeden Fall mit: den Instinkt dafür, wie der Koalitionspartner maximal zu reizen ist, ohne dass es gleich zum ganz großen Knatsch kommt. Etwa mit der Ansage, falls Kretschmann vor Ende der Legislaturperiode im Landtag aus dem Amt scheiden sollte, einem grünen Nachfolger nicht zu einer Mehrheit verhelfen zu werden. Der Ministerpräsident stellte zwar unmissverständlich öffentlich klar, dass Hagel damit den Bogen überspannt hat, andererseits aber hat er gepunktet, auch über den eigenen Fan-Club in der CDU hinaus.

Nicht nur die Skeptiker:innen vor allem im badischen Landesteil ("Wie will er in Mannheim mit diesem breiten Schwäbisch ankommen?") muss Hagel erst für sich einnehmen. Immerhin hat der Fraktions- und künftige Landeschef den ersten Zugriff auf die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl in gut zweieinhalb Jahren. Würde ihm die verweigert, wäre es gleich wieder vorbei mit neuer Schlagkraft und Stärke. Und würde er selber zaudern, erst recht. Da wird rasches Lob leicht zur Bürde. "Manuel Hagel ist der richtige Spitzenkandidat", sagt Moritz Oppelt, der Bundestagsabgeordnete und CDU-Bezirkschef in Nordbaden nach den entscheidenden Gremienberatungen vom Montag.

Allerdings, geben andere zu bedenken, habe Hagel noch nie ein Ministerium geführt. Selbst die Junge Union reagiert merkwürdig zurückhaltend und "hofft" erst einmal überhaupt nur, dass der 35-Jährige nach dem Amt des Landesvorsitzenden greift. Sogar in der Fraktion schwanken manche zwischen Anerkennung und Argwohn. Ein langgedienter CDU-Kenner findet für Hagel das Bild des Seiltänzers hoch über Manhattan, der hoffen muss, dass die lange schwere Stange in seinen Händen so tut, wie sie soll: die Balance halten, Unsicherheiten ausgleichen. Inhaltlich müsse er aber noch arbeiten, nämlich an der Frage, wofür Hagel – nicht eben ein Feind von Floskeln und Phrasen – eigentlich steht. Es fehle ihm an Erfahrung und an "einer Idee von der eigenen Politik", schreibt die "Stuttgarter Zeitung" schnörkellos über die Zeit in der CDU nach Strobl.

Strobl muss noch ein paar Lager versöhnen

Zu allem Überfluss kommt hinzu, dass die noch gar nicht angebrochen ist. Der Innenminister bleibt, da lässt Kretschmann keinen Zweifel aufkommen, Koordinator der Regierungspolitik auf der schwarzen Seite und sein wichtigster Ansprechpartner. Der Stellvertreter selber kündigt an, zwar "zur Seite zu treten", aber als Kabinettsmitglied weiter im Team bleiben und mitreden, das will er schon. Als "Ziel Nummer eins" gibt der Noch-Landesvorsitzende "Stabilität statt Streit" vor. Wenn ihm damit ernst ist, müsste er sich in der verbleibenden Zeit allerdings noch einer ganz anderen Baustelle annehmen.

Strobl rühmt sich, Entdecker Hagels zu sein, weil er ihm bereits mit 28 Jahren das Amt des Generalsekretärs übertragen hat und damit laut Satzung "die Koordination der gesamten Parteiarbeit aller Organe des Landesverbandes, seiner Vereinigungen, Fachausschüsse und Arbeitskreise sowie aller Untergliederungen". In dieser Funktion war der künftige starke Mann auch Wahlkampfmanager der glücklosen CDU-Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann bei der Landtagswahl 2021. Und er trägt aus dieser Zeit eine alte mittelschwere Last mit sich herum, weil ihm erhebliche Teile der Basis nicht verziehen haben, wie er schon am Wahlabend mit der krachenden Niederlage nichts mehr zu tun haben wollte. Strobl, der für sich in Anspruch nimmt, schon Günther Oettinger und Annette Schavan an einen Tisch gebracht zu haben, deren Anhängerschaft sich im Landesverband so lange feindselig gegenüberstanden, könnte sich abermals verdient machen und tatsächlich einen gut bestellten Laden hinterlassen. Jedenfalls an dieser Flanke.


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2 Kommentare verfügbar

  • Dietmar Rauter
    am 27.09.2023
    Antworten
    Meine Argumente gegen die CDU und Hagel wohl auch habe ich im Kommentar zum Artikel CDU/AfD zum Ausdruck gebracht. Die CDU hat außer der Tatsache, dass sie an die Macht will, keine Inhalte mehr, sondern nur Abgrenzung und Spaltung, das, was sich diese Gesellschaft derzeit überhaupt nicht leisten…
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