Gleisanlagen werden erneuert, Brücken, Übergänge oder Unterführungen neu gebaut, ganze Strecken der Deutschen Bahn müssen saniert werden. Umleitungen, Ausfälle, Verspätungen und Ärger bei den Fahrgästen sind die Folge, und allenthalben herrschen Zeit- und Kostendruck. Angesichts des Investitionsstaus, den die Ampelregierung von der Großen Koalition und den Vorgängerregierungen geerbt hatte, wird sich daran in den nächsten Jahren, vielleicht sogar Jahrzehnten nichts ändern.
"Marode" nennt das Schienennetz auch ganz unverblümt derjenige, der für die Bundesregierung dafür zuständig ist: Michael Theurer, FDP-Landeschef im Südwesten und seit gut einem Jahr Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium. Er gibt sich keinen Illusionen hin mit Blick auf die Zahlen, die vom neuen DB-Infrastrukturvorstand Berthold Huber vorgelegt wurden: 80 Milliarden Euro müssen in die Instandsetzung fließen, pro Jahr sind aber nur vier bis fünf vorgesehen. "Gleichzeitig schiebt der Bund vordringliche Maßnahmen mit einem Volumen von 140 Milliarden vor sich her, vom Rheintal bis über den Brenner-Tunnel-Nordzulauf bis zur Strecke Mannheim-Frankfurt", sagt Theurer. Sein Zusatzjob als Schienenverkehrsbeauftragter gleicht einem Danaergeschenk seines Bundesvorsitzende Christian Lindner – die beiden sollen sich dem Vernehmen nach nicht wirklich gut verstehen. Trotzdem will Theurer jetzt, nachdem die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts auf Betrug beim Neubau der Filstalbrücke aufgenommen hat, "sehr genau" hinschauen bei Großprojekten der Deutschen Bahn.
Großprojekte sind immer korruptionsanfällig
Wie schwierig es sich gestaltet, Aufklärung oder überhaupt erst einmal Transparenz in die Gänge zu bringen, zeigen Vorwürfe vom November 2021, als die "Financial Times" einen möglichen Betrug bei Stuttgart 21 öffentlich machte. Dabei ging es um einen Missbrauch von Unternehmensgeldern, konkret: rund um die Verlegung der Stadtbahnhaltestelle "Staatsgalerie" in Stuttgart (Kontext berichtete). Auch eine Summe wurde genannt: 600 Millionen Euro. Die DB dementierte, wollte allen Hinweisen bereits nachgegangen sein. Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) verlangte – wieder einmal – nach Transparenz. Er habe "die DB aufgefordert, dies aufzuklären und uns umfassend zu informieren", sagte er damals im Kontext-Interview. Und erklärte zugleich, die Korruptionsvorwürfe hätten ihn "konkret überrascht, aber nicht grundsätzlich". Auch Matthias Lieb, Landesvorsitzender des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), legte den Finger in die Wunde: "Bei großen Baumaßnahmen ist natürlich immer die Gefahr von Korruption." Bei Stuttgart 21 sei so vieles sehr chaotisch gelaufen, "dass es mit einer gewissen kriminellen Energie bestimmt leichter möglich gewesen wäre als anderswo, Dinge zu drehen". Die Sache verlief nach Angaben des Landesverkehrsministeriums ein gutes Jahr später allerdings im Sande.
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bedellus
am 11.01.2023