Champagnertrüffel, Schokolade mit Safran und Curry, Pralinen veredelt mit Riesling-Spätlese-Essig auf Waffelboden: Der Gundelsheimer Chocolatier Eberhard Schell verdient seine Brötchen mit süßen Leckereien aus Schokolade, er selbst ist derzeit allerdings vor allem eines: sauer. Der Mittelständler soll jetzt 30.000 Euro Coronahilfe an das Land Baden-Württemberg zurücküberweisen. Ein dicker Brocken für den Familienbetrieb. Das Geld hat er nicht einfach so auf der hohen Kante, erzählt Schell im Gespräch mit Kontext. Außerdem rechnet er vor, dass er durch Corona einen Ausfall von insgesamt 250.000 Euro hatte. Aber das zählt in diesem Fall nicht.
Vor allem in Baden-Württemberg sind viele Unternehmen von Rückzahlungsforderungen betroffen. Das erregt bei kleinen Gewerbetreibenden heftigen Unmut. Als ungerecht wird das staatliche Vorgehen angeprangert. Das könne er gut verstehen, sagt der Chef eines Stuttgarter Steuerbüros, das sich seit Beginn der Corona-Pandemie mit den Fallstricken der Coronahilfen herumschlagen muss. Aus rechtlicher Sicht möge das alles in Ordnung sein, aber aus moralischer Sicht sei das Ganze ein Desaster, sagt der Experte, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Er kann die Wut und das Unverständnis der Gewerbetreibenden gut verstehen.
Fallstricke im seitenlangen Kleingedruckten
Schell Schokoladen ist nur einer von vielen Betrieben, denen es ähnlich ergangen ist. Besonders wütend macht sie, dass die Hilfe von der Politik als "nicht rückzahlbarer Zuschuss" angekündigt worden war. Dass dem nicht so ist, stand zwar im Kleingedruckten. Aber wer befasst sich schon mit mehrseitigen Erläuterungen, wenn er oder sie unter ungeheurem finanziellem Druck steht angesichts der beginnenden Coronakrise, fragt der Steuerexperte. Ohnehin habe damals niemand gewusst, wie es am nächsten Tag, geschweige denn in den nächsten Wochen weitergeht.
Auch fast alle Kund:innen des Stuttgarter Steuerbüros waren davon ausgegangen, dass sie mit der Soforthilfe Geld erhalten, das sie nicht zurückzahlen müssen. Der Zweck sei ja der Ausgleich coronabedingter Liquiditätsengpässe gewesen. Und diese konnten im Grunde alle Betriebe vorweisen.
Der Teufel steckte hier im Detail. Die Regelung hatte nach Ansicht des Steuerexperten von Anfang an viele handwerkliche Fehler. Er sieht darin einen "Schnellschuss ins Trübe". Und die Ansagen der Politik, dass allen unbürokratisch geholfen werde, hätten sich bei genauerem Betrachten als falsch entpuppt. Es wurde damit keineswegs allen und vor allem nicht unbürokratisch geholfen. Das Ergebnis ist für ihn mehr als fragwürdig. Weil sie ahnten, dass die Abwicklung äußerst kompliziert werden könnte, haben sich beispielsweise die drei Geschäftsführer eines Stuttgarter Startups der Veranstaltungsbranche dazu entschieden, das Geld sofort wieder zurückzuüberweisen, als sie merkten, welche Dokumentationspflichten damit verbunden sind.
Chaos von Anfang an
Dass die Anträge anfangs über die IHK liefen, erzeugte schon ein heilloses Chaos. Die Industrie- und Handelskammern waren heillos überfordert. Schließlich wurde die L-Bank mit der Sache beauftragt. Zu Beginn war vorgesehen, dass auch das private Vermögen der Gewerbetreibenden herangezogen werden sollte. Weil damit aber die vorsichtig Wirtschaftenden bestraft worden wären, wurde dies zugunsten der Firmenbesitzer schnell geändert.
Die Krux ist der Bewilligungszeitraum. Dieser galt drei Monate ab Antragstellung. Aber weil sich die meisten Betriebe etwas einfallen lassen mussten, um nicht blank dazustehen, gab es schnell Abweichungen von den Planzahlen in gestellten Anträgen. So in der Gastronomie: Das Geschäft wurde zwar zugemacht, aber die Wirt:innen haben in der Mehrzahl auf Liefer- und Abholservice umgestellt. Anstatt der prognostizierten Totalausfälle beim Umsatz, kam es so unvorhergesehen doch zu Einnahmen.
Der Steuerexperte schüttelt den Kopf darüber, dass das Land Baden-Württemberg jetzt mit einem riesigen Verwaltungsaufwand Rückzahlungen fordere von kleinen Unternehmen, die während der Pandemie ohnehin ums Überleben kämpften.
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