Der Satz ist inzwischen Standard: Regelmäßig wird Baden-Württembergs Landtag über "Maßnahmen der präventiv-polizeilichen Telekommunikationsüberwachung" (TKÜ) unterrichtet, und ebenso regelmäßig mitgeteilt, dass die sogenannte Quellen-TKÜ – also eine Überwachung, die Nachrichten auf digitalen Geräten erfasst, bevor sie beim Versenden verschlüsselt werden können – nicht in Gebrauch ist. Die Fachleute von netzpolitik.org wissen die Gründe dafür und greifen bei der Beschreibung der Lage ganz weit zurück – auf einen feinen Aphorismus von Leonardo da Vinci zurück: "Die meisten Probleme entstehen bei ihrer Lösung." Bislang erfreue sich das Instrument der Quellen-TKÜ in der Vollzugspraxis deswegen noch keiner großen Beliebtheit, weil die technischen Hürden für den Einsatz hoch sind, ebenso wie der Aufwand, Sicherheitslücken auszuspähen und Endgeräte heimlich zu infiltrieren.
Dennoch oder gerade deshalb haben – neben Polizeibehörden – auch die 19 Geheimdienste der Republik seit Anfang Juli die Lizenz zum Einsatz. Aktuell will sich Beate Bube, die Präsidentin des baden-württembergischen Landesamts für Verfassungsschutz (LfV), auf Kontext-Anfrage nicht zu den neuen Möglichkeiten äußern. Prinzipiell hat sie in der Vergangenheit immer wieder Stellung genommen, etwa dazu, wie wichtig es sei, die technische Ausstattung nie aus dem Blick zu lassen und schon gar nicht deren Kosten. "Eine Anlage für die Telekommunikationsüberwachung ist nach ein paar Jahren nicht mehr auf dem neuesten Stand - und die Software auch nicht", sagte Bube 2019, "wenn man da aber Schritt halten will, dann geht das eben immer nur mit einer enormen Investition von Mitteln." Der Verfassungsschutz dürfe nicht den Anschluss verlieren. Besonders die Quellen-TKÜ sei wichtig, "denn ohne laufen wir wirklich Gefahr, blind zu werden, weil immer weiter verschlüsselt wird". Intern heißt es, dass inzwischen bis zu 90 Prozent der Kommunikation - über Facebook, Whatsapp etc. – verschlüsselt wird und damit mit den Mitteln herkömmlicher TKÜ nicht geknackt werden kann.
Einsatz an Abwägung gekoppelt
Oder aber: möglicherweise gar nicht geknackt werden darf. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat sich jüngst mit der Frage jener Sicherheitslücken befasst, die Behörden benötigen, wenn sie erfolgreich die Kommunikation von potenziellen StraftäterInnen abfangen wollen. Dabei erörterte das Gericht das Spannungsfeld zwischen dem Anspruch von BürgerInnen, durch den Einsatz moderner Technologien nicht ausgespäht zu werden, und andererseits der Notwendigkeit von Einfallstoren in die digitale Welt, um Verbrechen zu verhüten. Zwar wurde eine Beschwerde gegen das baden-württembergische Polizeigesetz abgewiesen, weil unter anderem von der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) und dem Chaos Computer Club (CCC) nicht ausreichend dargelegt worden sei, ob sie überhaupt befugt sind, das Verfassungsgericht anzurufen. Dazu hätten sie zunächst bei Fachgerichten Klage einreichend müssen.
1 Kommentar verfügbar
Thomas Albrecht
am 05.08.2021