Es gab mal eine Zeit, da galt Uli Burchardt (49) als großer Hoffnungsträger. Als Prototyp eines schwarz-grünen Politikers, der für die CDU auch Wahlen in Uni- und Großstädten gewinnen kann. Selbst die Berliner "taz" schwärmte 2012, dass er perfekt die Erfolgsformel für die Union in Unistädten verkörpere: "Bürgerlich plus öko light". Da war Uli Burchardt gerade zum Konstanzer Oberbürgermeister gewählt worden.
Heute, acht Jahre später, muss das einstige Vorbild um seine Weiterbeschäftigung bangen. Im ersten Wahlgang lag Uli Burchardt knapp drei Prozentpunkte hinter seinem links-grünen Herausforderer Luigi Pantisano (40). Wie konnte das passieren?
Ein Montagvormittag in Konstanz. Uli Burchardt empfängt in seinem Büro im malerischen Altstadt-Rathaus. Er trägt heute mehr Bart als 2012, eine neue Brille, aber ansonsten ist er sich treu geblieben: Jeans, weißes Hemd, Sakko. Fan von Schwarz-Grün ist er nach wie vor: "Die Herausforderungen einer nachhaltigen Entwicklung sind in den letzten Jahren noch viel deutlicher geworden, als es 2012 war. Diese Dinge kann man nicht lösen mit einer knappen Mehrheit gegen eine große Minderheit. Das geht nur miteinander. Deshalb braucht es dafür eine integrierende Politik, eine breite Mitte und eine Mitnahme aller Menschen. Schwarz-grün ist genau die Kombination, die das kann."
Seine erste Amtszeit sieht er als Erfolg, er würde seine Arbeit gerne fortsetzen. Klassische Indikatoren von Stadtentwicklung geben ihm recht: Geringe Arbeitslosenquote (3,5 Prozent), gesunder Einzelhandel, seit 2009 ist die Einwohnerzahl von 78.000 auf über 86.000 gestiegen. Uli Burchardt ist mit sich zufrieden: "Ich habe in dieser Stadt mehr politische Einigkeit geschaffen, als es davor gewesen ist. Wir sind in sehr grundsätzlichen Fragen sehr viel weiter gekommen, als es davor denkbar war."
Die Grünen haben keine Lust mehr
Ab hier wird es dann kompliziert. Die Grünen, jahrelang Mehrheitsbeschaffer für Burchardts Politik, wollen nicht mehr. Acht Jahre Uli Burchardt sind für sie genug, das schwarz-grüne Projekt halten sie in dieser Form für tot. "Die Stadt ist nicht weiter als 2012, ich erlebe großen Stillstand in der Politik. Das hat auch mit Uli Burchardt zu tun. Ihm fehlen die Ideen und Visionen, wie man diese Stadt entwickeln kann", sagt Anne Mühlhäußer, seit 21 Jahren im Konstanzer Gemeinderat und Fraktionssprecherin der Freien Grünen Liste (FGL), so heißen die Grünen hier.
Ihre Mängelliste ist lang: Mehr Verpackung als Inhalt, kein wirkliches ökologisches Profil, keine Durchsetzungskompetenz - viel brutaler als die Grünen mit ihrem einstigen Partner Schluss gemacht haben, geht es kaum. Sie unterstützen jetzt Burchardts Konkurrenten Luigi Pantisano und machen damit quasi Wahlkampf gegen eine Politik, die sie jahrelang mitgetragen haben.
Wer wissen will, wie es so weit kommen konnte, der findet bei Ralph Schiel ein paar Antworten. Schiel, Inhaber einer Kommunikationsagentur, die sich auf Ökologie und Nachhaltigkeit spezialisiert hat, unterstützte Burchardt vor acht Jahren. Schiel gefiel, was Burchardt in seinem Buch "Ausgegeizt" über Nachhaltigkeit geschrieben hatte. "Diese Ideen in die Politik zu bringen, fand ich genau richtig", erklärt Schiel. Nach der Wahl folgte die Ernüchterung: Den Buchautor habe er in dem Politiker Burchardt schließlich nicht mehr wieder erkannt.
Jetzt engagiert sich Schiel für Luigi Pantisano. "Viele Dinge, die Uli Burchardt angekündigt hat, hat er nicht eingelöst. Mein Eindruck der vergangenen acht Jahre ist, dass er ein eher wahltaktisches Verhältnis zum Thema Ökologie hat." Als Beispiele nennt Schiel die Themen Elektromobiliät und dezentrale Energieversorgung. "Trotz Klimanotstand ist Konstanz in all diesen Feldern kein Vorreiter. Burchardts Politik zeigt klar, dass bei ihm im Zweifel Ökonomie vor Ökologie geht", so Schiel.
Klimaneutralität verschoben
Tatsächlich hatte Uli Burchardt in seinem Wahlkampf mehr versprochen als er halten konnte. Aber wie hilfreich sind solche Vorher-Nachher-Vergleiche wirklich? Blenden sie nicht zu oft aus, dass theoretische Pläne in der Praxis durch Unvorhergesehenes oft pulverisiert werden? Die Flüchtlings-Krise 2015 und die Corona-Krise haben gezeigt, wie schnell das gehen kann – und sich Prioritäten gezwungenermaßen verschieben.
9 Kommentare verfügbar
Peter Nowak
am 13.10.2020Die Besetzung der Grafi 10, die starke Solidarität der Nachbarschaft hervorrief und dann die Repression bei der Besetzung.
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https://grafi.noblogs.o…