Beifall für eine Entscheidung, die Sascha Binder (37) nicht leichtgefallen ist. Aber der ehrgeizige Geislinger SPD-Landtagsabgeordnete, Fraktionsvize und Generalsekretär der Landespartei, hat sich durchgerungen. Sieben Jahre saß er im SWR-Rundfunkrat, seit neun Jahren ist er im Parlament und hat in der vergangenen Legislaturperiode jenen Staatsvertrag mitverhandelt, der ihn jetzt den Sessel in dem Aufsichtsgremium kostet. Der Vertrag sieht eine strenge Geschlechterquotierung bei den acht Sitzen vor, die der Politik eingeräumt wurden: Die Grünen schicken zwei Frauen und einen Mann, die CDU eine Frau und einen Mann, SPD, AfD und FDP wählten intern jeweils einen Mann.
Nachdem niemand hinter den Kulissen zum Einlenken bereit war, machte Binder den Weg frei für eine Genossin, um die Vorgaben zu erfüllen, um Schaden von seiner Partei, aber auch von der Quote insgesamt abzuwenden, wie er in einer Mail an seine FraktionskollegInnen schreibt. "Halbe-Halbe – genau so stellt sich das Geschlechterverhältnis, zumindest soweit mir bekannt ist, dar in Deutschland", hatte die damalige grüne Medienministerin Silke Krebs die Neuregelung gegen Kritik, Hohn und Spott aus der Opposition verteidigt. Nicht zuletzt mit dem Argument, das Bundesverfassungsgericht verlange eine Zusammensetzung von Gremien, die die gesellschaftliche Wirklichkeit widerspiegelt.
Wie wichtig das ist, hat jetzt das Thüringer Verfassungsgericht eindrucksvoll unterstrichen mit seinem Urteil, das der Gleichstellung einen schweren Rückschlag versetzt. Nur mal angenommen, ein Gericht hätte zu entscheiden in juristisch heiklen Fragen der Mobilität und es wäre besetzt mit sechs Radfahrer- und zwei AutofahrerInnen – der Aufschrei wäre gewiss sehr vernehmlich und am Ende mit größter Wahrscheinlichkeit erfolgreich. In Weimar hingegen durfte ein Gericht über Gleichstellung entscheiden, in dem zwei Frauen und sieben Männer sitzen.
Die Front besteht immer aus CDU, FDP und AfD
Ende August wird im Bundesland Brandenburg der nächste Anlauf folgen, allerdings stehen in der dortigen Landesverfassung in entscheidenden Passagen etwas andere Formulierungen als in Thüringen. Nicht nur die Frauenverbände hoffen auf einen Erfolg vor dem brandenburgischen Gericht. Die rot-rot-grüne Mehrheit im Berliner Abgeordnetenhaus will das Urteil abwarten und zugleich am eigenen Paritätsgesetz festhalten. Die Fronten sind immer dieselben: CDU, AfD und FDP können der angeblich "verordneten Ergebnisgleichheit" wenig bis gar nichts abgewinnen. So argumentieren Matti Karstedt und Laura Schieritz für die Jungen Liberalen Brandenburg, das gut Gemeinte sei "zugleich brandgefährlich", denn wer die Wählbarkeit seiner Mitmenschen "von ihrem Geschlecht abhängig macht, legt damit die Axt an historisch errungene Prinzipien". Das im Grundgesetz garantierte Recht auf freie und gleiche Wahl werde unter dem Banner der Gleichstellung ausgehebelt.
Für Bayern wurde vor zwei Jahren eine sogenannte Popularklage von immerhin 153 Antragstellern abgewiesen, die Parität für Landtags- und Kommunalwahlen einführen wollte. Ein Anspruch auf geschlechterproportionale Besetzung des Landtags oder kommunaler Vertretungskörperschaften und entsprechend von Kandidatenlisten "lässt sich dem Demokratieprinzip nicht entnehmen", urteilten die Richter. Auch müsse das Parlament kein möglichst genaues Spiegelbild der Bevölkerung darstellen.
1 Kommentar verfügbar
Gerald Wissler
am 27.07.2020Oder, im Falle der Wahl, das Mandat auch anzunehmen.
Insofern ist der ganze Vorgang mit dem verfassungswidrigen Wahlgesetz in Thüringen nicht vergleichbar.
Und wie heißt es so schön:
Wo kein Kläger ist, da ist kein Richter.
Hätte der…