Auch die Veränderungen im Land und in Europa werden über die Jahre spürbar: Verteilen 2015 noch Bekannte von Grauf "Äpfel an durchreisende Asylneger", ist es für ihn "endgeil", wie sich 2016 die Stimmung im Land nach der Kölner Silvesternacht dreht, zumindest "interessant", wie "'Kriminelle Ausländer raus!' auf einmal ok ist :D" und selbst die Linke Wagenknecht fordert, "Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt". Im Januar 2016 schreibt Grauf an seinen Freund: "Was sich jetzt auf jeden Fall geändert hat, ist, dass diejenigen, die für die Asylanten sind rechtfertigen müssen. Früher waren das wir."
Grauf kam mitunter über seinen Freund und Bundesbruder Philip Stein, ebenfalls Mitglied der Germania Marburg, an den Job bei der AfD. Stein sitzt im Netzwerk um Götz Kubitschek, dem Strippenzieher innerhalb der AfD und der Neuen Rechen, und leitet "Ein Prozent für unser Land", nach eigenem Verständnis "Deutschlands größtes patriotisches Bürgernetzwerk", das Personal der Identitären, Neonazis, Hooligans und anderer zum "Widerstand" gegen Moscheen, Geflüchtete und Ausländer generell vernetzt.
Auch der Marburger Germane Torben Braga, Pressesprecher der AfD Thüringen und Beisitzer in deren Landesvorstand, griff ihm unter die Arme. Bereits 2014, Grauf nähert sich damals dem Ende seines Studiums und die AfD steht gerade am Anfang ihres Siegeszuges in nahezu alle deutschen Landesparlamente, schreibt ihm Stein: "Jetzt haben wir die Chance, da Leute zu platzieren." Grauf: "Parlamentarischer Berater ist im Prinzip für mich ideal". Stein: "Eben- Götz sagt, du sollst ihm Bewerbung schicken."
"Erstmal in der Heimat mit der Ausländerplage beschäftigen"
Immer wieder kommt in den Gesprächen die Frage auf, ob Graufs NPD-Vergangenheit womöglich hinderlich sei, um für die AfD zu arbeiten. Immerhin schließt die offiziell bis heute jegliche Zusammenarbeit mit extremen Rechten aus. "Bei Google Deutschland findet man nix über dich oder?", fragt ihn sein Anwalt einmal. "Eigentlich nimmer. Müssen aber trotzdem regelmäßig was rauslöschen lassen", antwortet Grauf. Sein Kumpel Stein beruhigt ihn einmal: "Das mit der NPD ist glaube ich nicht sonderlich wichtig." Und Marcel Grauf ist sich sowieso sicher: "Ich will ja keine Parteikarriere machen. Aber wenn die jemanden brauchen der sich mit Parlamenten auskennt und denen rausarbeitet, was sie machen können, kann ich das halt einfach." Am liebsten in Baden-Württemberg. "Ich will erstmal was in der Heimat und mich dort mit der Ausländerplage beschäftigen", schreibt er an Torben Braga. An Stein schreibt er: "Im Zweifel müssen Sie halt sagen: keiner unserer Mitarbeiter war in der NPD".
Dass Grauf NPD-Mitglied war, ist bekannt. 2013 schloss ihn der Reservistenverband deshalb von seiner Mitgliedschaft aus. 2015, sogar 2016 noch, hat er Kontakt zu Alexander Neidlein, damals Chef der NPD Baden-Württemberg, und sammelt für ihn Unterschriften – als ein "Truppenteil". Grauf schreibt an Neidlein, dass Geflüchtete in dem Ort untergebracht werden, in dem er lebt: "Wir bekommen jetzt auch Unterkünfte. Wüstenrot 96, Großerlach erstmal 70." Neidlein schreibt: "Überall sollen sie hin – auf jedes Dorf – und in jeden Garten sollen sie scheißen, damit es jeder kapiert was wir seit Jahren sagen." Grauf: "So ist es. die merken es wirklich erst, wenn die da sind." Mit der Zeit entfernt Grauf sich von der NPD. Die AfD entwickelt sich zwischen 2014 und 2017 zu einem ganz anderen Kaliber. Mit viel mehr Macht und der Aussicht auf politischen Erfolg.
7 Kommentare verfügbar
Nico
am 12.01.2020Viele Kommentare / Tweets / Statements etc. werden aus von den SteuerzahlerInnen
bezahlten, warmen Büroräumen - gerne auch in den Parlamenten - geschrieben.
Vor allem - meine Einschätzung - die…