Wenn am Morgen des 15. Mai die <link https: www.itec.co.uk _blank external-link-new-window>Itec in der Landesmesse Stuttgart beginnt, wird sich hier nicht nur das Who is Who der weltweiten Rüstungsindustrie treffen, sondern auch Militärs aus aller Welt. Das hat Michael Schulze von Glaßer jedenfalls 2014 in Köln erlebt, wo die Messe für militärische Simulation und Training bei ihrem letzten Deutschland-Gastspiel weilte. Schulze von Glaßer ist politischer Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft (DFG-VK) und Mitglied der <link https: www.kontextwochenzeitung.de gesellschaft widerstand-braucht-information-4906.html external-link-new-window>Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI), bei der Itec in Köln war er als Pressevertreter akkreditiert. Er führte Gespräche mit Firmenvertretern, Ausstellern, <link https: www.youtube.com external-link-new-window>dokumentierte sie in einem Video. "Sehr interessant" sei das gewesen, "teilweise auch absurd". Denn auf der Itec trafen sich auch Militärs aus miteinander in Konflikt stehenden Staaten, etwa aus Indien und Pakistan, die dort offenbar sehr gut miteinander auskamen.
Schulze von Glaßer ist am vergangenen Donnerstag im Welthaus Stuttgart zu Gast, um über seine Eindrücke zu berichten. Das immer wieder angeführte Argument, dass es hier ja nur um Training und Simulation gehe und vor allem Software ausgestellt werde, findet er grob irreführend. "Es geht darum, Soldaten fit für den Einsatz, sie besser und effektiver zu machen. Sie sollen 'besser' Krieg führen können." Daher gehe es hier konkret um Kriegsvorbereitung. Das Training mit Simulationen ersetze zwar nicht "den scharfen Schuss", sei aber viel günstiger als das mit echtem Gerät und Munition. Und daher bei Militärs zunehmend beliebt, zumal im Computer praktisch jede Umgebung – und damit jedes Einsatzgebiet – der Welt simuliert werden könne. Das Ganze ist ein Riesengeschäft: Rund acht Milliarden US-Dollar würden jährlich von Armeen für militärische Trainingssimulatoren ausgegeben, erfuhr Schulze von Glaßer 2014 auf der Itec in Kön.
Von diesem großen Kuchen möchte auch Itec-Veranstalter Clarion Events etwas abhaben; die britische Firma veranstaltet zahlreiche Militärmessen auf der ganzen Welt, ist allerdings auch im Gaming-Bereich aktiv. Und auch auf der Stuttgarter Itec werden neben klassischen Rüstungsfirmen wie Rheinmetall und Thales diverse Videospielhersteller unter den Ausstellern sein, etwa die britische Firma "Bohemia interactive". Klingt kurios, ist überaus schlüssig. So soll Bohemia Interactives Ego-Shooter "Operation Flashpoint", 2001 veröffentlicht, australischen Militärs so gut gefallen haben, dass sie basierend darauf eine Trainings-/Simulationssoftware in Auftrag gaben. "Virtual Battlespace", so deren Name, erschien schon 2002 und wurde direkt aus "Operation Flashpoint" entwickelt. "Mittlerweile verdient Bohemia Interactive mehr Geld mit militärischen Simulationen als mit Videospielen", erzählt Schulze von Glaßer. Auch deutsche Firmen wie Crytek profitieren von diesem Markt; die in Frankfurt am Main sitzende Firma stellt zwar nicht auf der Itec aus, wohl aber der französische Rüstungsgigant Thales, den Crytec in der Vergangenheit bei der Entwicklung eigener Simulationssoftware unterstützte.
Von Köln zog die Itec nach Stuttgart – das hat seine Logik
Grob alle vier Jahre gastiert die Wandermesse Itec in Deutschland, zuletzt 2014 in Köln, wo sie auch schon 2011 und 2007 stattfand. Dass sie nicht mehr in der Domstadt ist, hat auch mit den heftigen Protesten bei ihrem letzten Gastspiel zu tun, die auch für die Messebesucher deutlich sichtbar waren. Ein zusätzlicher Schuss ins Knie war dabei vermutlich, dass zwar überregionale, aber keine lokalen Pressevertreter zugelassen wurden – was auch bei sonst weniger kritischen Kölner Blättern für Unmut und entsprechende Berichte sorgte. Dass die Messe nun in Stuttgart stattfindet, hat aus Veranstalter- und Ausstellersicht aber durchaus auch seine Logik: Im Großraum Stuttgart befinden sich nicht nur US-Kommandozentren wie das Eucom und das Africom, in denen computergestützte Kriegführung, etwa Drohneneinsätze, eine große Rolle spielen. Sondern auch viele Firmen und wissenschaftliche Forschungseinrichtungen, die in diese Richtung forschen und entwickeln – ein "militärisch-forschungsindustrieller Komplex", wie es IMI-Autor Christoph Marischka <link http: www.imi-online.de ruestung-ohne-schwermetall external-link-new-window>in einer ausführlichen Dokumentation nennt.
Trotzdem habe sich Clarion hier "die falsche Stadt ausgesucht", glaubt Michael Schulze von Glaßer: "Eine rüstungskritischere Großstadt als Stuttgart kann man sich kaum vorstellen." Proteste gab es bereits, kurz nachdem die geplante Ausrichtung der Itec in der Landesmesse vergangenen Juli bekannt geworden war. Kritik erhob sich auch im Messe-Aufsichtsrat (<link https: www.kontextwochenzeitung.de wirtschaft die-heimliche-militaermesse-4470.html external-link-new-window>Kontext berichtete). Und im Januar 2018 traf sich Paul Russmann von der Organisation "Ohne Rüstung leben" sogar mit Michael Föll (CDU), dem Stuttgarter Finanzbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzenden der Messe. Bei ihrem Gespräch habe Letzterer laut Russmann zugesichert, dass es nach 2018 in Stuttgart keine Itec mehr geben werde.
Messesprecher: Unerwünscht reicht nicht
Statt sich darauf zu verlassen, sollten Rüstungsgegner indes lieber auf weithin sichtbare Proteste setzen, um Veranstalter Clarion für die Zukunft zu vergrämen. Denn sollte dieser in Zukunft noch einmal anfragen, ob sich die Itec in Stuttgart ausrichten lasse, gebe es für die Landesmesse wegen kartellrechtlicher Bestimmungen kaum eine Handhabe, dies zu verhindern, wie Landesmesse-Sprecher Markus Vogt betont. Der Grund: Bei einer öffentlichen Einrichtung, wie die Landesmesse eine ist, "haben Veranstalter den rechtlichen Anspruch, bei uns zugelassen zu werden", erläutert Vogt. "Ablehnen können wir eine Veranstaltung nur, wenn die Hallen zeitlich anderweitig verplant sind."
Oder "wenn die Veranstaltung gegen das Gesetz verstößt". Das sei laut Vogt bei der Itec nicht der Fall. Wenn ein Messe-Thema lediglich unerwünscht sei, "haben wir keine Grundlage zur Ablehnung" und würde man dies doch versuchen, "kann das einen Schadensersatzanspruch begründen." Demnach könnte Bürgermeister Föll gar nicht zusichern, die Itec werde ein einmaliges Gastspiel bleiben. Auf Kontext-Anfrage formuliert Föll denn auch deutlich vorsichtiger: "Sinngemäß habe ich gesagt, dass ich von einer einmaligen Veranstaltung der ITEC im Jahr 2018 ausgehe."
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