Für die Fortschreibung des Luftreinhalteplans hat Baden-Württembergs Verkehrsministerium das Institut für Straßen- und Verkehrswesen an der Uni Stuttgart mit einer "Machbarkeitsstudie zur Untersuchung des Potenzials von Umweltstreifen" beauftragt. Das Thema ist pikant, denn Minister Winfried Hermann (Grüne) befürwortete schon vor zehn Jahren im Bundestag einen Modellversuch, weil PKW damals im statistischen Durchschnitt mit 1,1 Insassen belegt waren und allein der Faktor 1,5 den Schadstoffausstoß im Straßenverkehr um rund zehn Prozent verringern könnte. Selbst CDU- und SPD-Verkehrspolitiker hatte Hermann anno 2007 auf seiner Seite.
Passiert ist aber nichts. Vielmehr fällt sogar die aktuelle Untersuchung für die Landeshauptstadt negativ aus. Privilegierte Sonderfahrstreifen etwa für mehrfach besetzte oder Elektro-Fahrzeuge bewertet sie als "problematisch": Und zwar "hinsichtlich der verkehrlichen Wirkung, der rechtlichen und tatsächlichen Umsetzbarkeit, der Wirksamkeit in Bezug auf die Minderung von Schadstoffemissionen sowie hinsichtlich der Kontrollmöglichkeiten". Denn: "Eine solche Maßnahme wirkt sich maßgeblich auf die Routenwahl der Verkehrsteilnehmer aus und führt daher zu erheblichen Ausweichverkehren (...) Aus diesen Gründen wird sie nicht weiterverfolgt."
Schade eigentlich. Wer also keine Brote liefern will, könnte mit Brötchen beginnen. Etwa mit der Maßnahme 19 aus dem Luftreinhalteplan: "Die Landeshauptstadt Stuttgart beabsichtigt, ihr Gebührensystem zu überprüfen und beginnend zum 01.11.2017 die Parkgebühren im gesamten Stadtgebiet moderat zu erhöhen (Vorbehalt Gemeinderatsbeschluss)." Letzterer liegt vor. Die Erhöhung ist tatsächlich moderat, im Schwabenzentrum oder auf den Rotebühlplatz um abschreckende 40 Cent für die erste und auch nur einen Euro für vier Stunden. Auf dem Wasen oder beim Neckarstadion bleiben die Tarife sogar unverändert. Nur viele DauerparkerInnen, die klimafreundlich am Stadtrand vom Auto umsteigen in Bus oder Bahn, dürften sich die Augen reiben. Auf mehreren Park-and-Ride-Anlagen werden statt bisher 130 Euro – ohnehin zusätzlich zum Jahresticket – ab 1. Januar satte Beträge zwischen 200 und 280 Euro im Jahr fällig.
Hochglanz-Flyer ersetzen keine Verkehrspolitik
Der neue Höchstpreis gilt ausgerechnet auch für das Vorzeigeprojekt "Österfeld". Häufig seien es viele kleine Bausteine, deren Umsetzung eine Wirkung erzielen, sagte Verkehrsminister Hermann vor einem Jahr, als die Nutzungsbedingungen in dem Vaihinger Parkhaus direkt an der S-Bahn auf das Konzept "Parkschein = Fahrschein" umgestellt wurden. Die Befürworter der neuen Tarifstrukturen argumentierten nicht zuletzt mit dem Blick über den Tellerrand nach Paris, wo Parken für UmsteigerInnen deutlich teurer sei. Oder nach Wien.
Tatsächlich sind die meisten Park-and-Ride-Angebote in der österreichischen Hauptstadt ebenfalls kostenpflichtig. Die Jahreskarte fürs ganze öffentliche Nahverkersnetz kostet aber nur 365 Euro. Um die Attraktivität von Park-and-Ride-Angeboten zu steigern, sei eine "günstige und zugleich werbewirksame Preisgestaltung eine mögliche Option", heißt es in der neuen von der Stiftung Baden-Württemberg finanzierten Mobilitätsstudie. So könne der Individualverkehr gerade in Städten drastisch zurückgedrängt werden.
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Andrea K.
am 01.12.2017