Bei seinem Lob für den Adel dachte der grüne Regierungschef Winfried Kretschmann vor allem an den Erhalt von Liegenschaften wie Schlössern, Gärten, Wäldern und Weinbergen. Davon hat der baden-württembergische Adel viel, insbesondere Fürst Erich, der neue Chef des Hauses Waldburg-Zeil. Doch während sich der steinreiche Adelsspross, zusammen mit zahlreichen anderen Blaublütern im Neuen Schloss zu Stuttgart preisen ließ, türmten sich zu Hause im Allgäu Gewitterwolken auf: Die Gewerkschaft Verdi hatte zum Warnstreik vor der Zentralverwaltung der Waldburg-Zeil-Kliniken in Isny-Neutrauchburg aufgerufen. 500 Beschäftigte von sechs oberschwäbischen Reha-Kliniken des Fürsten demonstrierten für bessere Löhne und einen neuen Tarifvertrag.
Dass Kretschmann in den 70er Jahren mal im Kommunistischen Bund Westdeutschland agitierte, ist bekannt. Ebenso, dass er sich seither zum gutbürgerlich-konservativen Schwaben gewandelt hat. Aber dass er nun den Adel zu Hofe lud und ehrte ("Die Leute müssen sehr hohe Aufwendungen machen, um die denkmalgeschützten Gebäude in Schuss halten zu können") und ihm im Marmorsaal Spargel, Kalbsbäckchen und Mousse servieren ließ, löste zumindest beim Fraktionschef der SPD im Landtag, Andreas Stoch, Irritationen aus. Es sei den Angehörigen der baden-württembergischen Adelsfamilien gegönnt, sagte Stoch, vom Ministerpräsidenten zu einem Abendessen empfangen zu werden. Für das Land wäre es indessen ein echter Fortschritt, wenn Kretschmann sich "mit demselben Herzblut um die Belange der hart arbeitenden Beschäftigten kümmerte", mahnte der Sozialdemokrat an.
Warten auf einen neuen Tarifvertrag – seit 17 Jahren
Tatsächlich hätten sich auch andere so genannte Leistungsträger der Gesellschaft für ein Abendessen beim Landesvater angeboten, etwa aus dem Kreis von Pflegern oder Therapeuten, die als Beschäftigte der Waldburg-Zeil-Kliniken seit nunmehr 17 Jahren auf einen neuen Tarifvertrag warten. Stattdessen durfte der neue Zeiler Fürst mit seinesgleichen dinieren. Fürst Erich (55), der Ende 2015 die Nachfolge seines 87-jährig verstorbenen Vaters Fürst Georg angetreten hatte, verfügt über ein gewaltiges Erbe: Waldburg-Zeil ist einer der zehn größten privaten Waldbesitzer in Deutschland, die Aktivitäten reichen von Medienbeteiligungen ("Schwäbische Zeitung", "Allgäuer Zeitung") über Spielbanken, Bergbahnen bis hin zu bundesweit zwölf Rehabilitations- und Fachkliniken mit 3400 Betten und rund 3000 Mitarbeitern, die inzwischen den wirtschaftlichen Schwerpunkt bilden.
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Else Kohler
am 24.05.2017