Was die Gastgeber von Sant'Egidio wohl denken werden, wenn ihnen zu Ohren kommt, dass die Gäste aus dem reichen Baden-Württemberg im Fünfsterner in Tibernähe abgestiegen sind, der, so die Hotel-PR, "besten Wahl" in der Ewigen Stadt? Die 1968 gegründete Laienbewegung hat sich – inzwischen weltweit – dem Dienst an Armen, Kranken, an Flüchtlingen und am Frieden verschrieben. Die Delegation, angeführt vom Ministerpräsidenten, bestehend aus insgesamt gut 20 Teilnehmern, gibt binnen zwei Tagen rund 40 000 Euro aus. Sant'Egidio bietet Patenschaften für 312 Euro im Jahr an, um einem Kind den Schulbesuch zu sichern; oder für 360 Euro, um HIV-infizierten Schwangeren zu ermöglichen, ihre Krankheit nicht auf das Kind zu übertragen. Etwa gleich viel kostet eine einzige Nacht für einen einzigen der Rom-Besucher, die Anfang September ein zweitägiges Programm rund um eine Audienz bei Papst Franziskus absolvieren. Der wird bekanntlich in aller Welt für seinen bescheidenen Lebensstil gerühmt.
Es ist etwas aus den Fugen geraten in einem Land, das doch als so sparsam gilt und zudem einschneidende Erfahrungen mit dem Thema Reisen hinter sich hat. Lothar Späth musste 1991 den Hut nehmen, nachdem er sich mehr als 500 Dienst- und Privatreisen von befreundeten Unternehme(r)n hatte bezahlen lassen. Viele Jahre lang wurde danach genau hingesehen bei der Kalkulation, etwa wenn Ministerpräsidenten als Türöffner für die heimische Wirtschaft fungierten, wenn politische Kontakte neu geknüpft und vertieft wurden zum Wohle des Mittelstands.
Alle Fachausschüsse des Landtags haben einschlägige Etats, aktuell 4000 Euro pro Abgeordneten für die gesamte Legislaturperiode. In der vergangenen Legislaturperiode standen dem Präsidenten und seinen Vizes für fünf Jahre 30 000 Euro zur Verfügung. Längst abgeschafft worden sind Ausflüge in exotische Regionen mit zweifelhaftem Nutzen. Die Programme sind eng getaktet, für Freizeit bleibt kaum oder sogar gar keine Zeit. In Rom, wo viel über das Thema Flüchtlinge geredet werden wird, ist ein kurzer Besuch der Vatikanischen Museen eingeschoben, in Paris, wohin Kretschmann Ende September fährt, gibt es nicht einmal ein Mittagessen. Dennoch kosten die eineinhalb Tage kombiniert mit Straßburg und einer einzigen Übernachtung pro Person 1500 Euro.
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Joachim Fischer
am 30.08.2016