An den Grünen läge es nicht, würde die Macht im kommenden März verspielt. Da kann Ministerpräsident Winfried Kretschmann noch so lange als King oft the Road Kaffee trinkend auf dem Beifahrersitz des ersten autonom fahrenden 500-PS-Riesenlasters sitzen und nicht nur die besonders ökologisch gesinnte Anhängerschaft irritieren. Sein Ansehen in der Bevölkerung ist weiter riesig, der im Südwesten schon lange stark gestutzte linke Flügel der Partei hat sich das Aufmucken längst abgewöhnt. Und in Stuttgart ist fünf Jahre nach dem Schwarzen Donnerstag die Akzeptanz des Tiefbahnhofs abermals weiter gewachsen, was die Chance auf eine Wiederholung des historischen Wahlerfolgs in der Landeshauptstadt jedenfalls nicht schmälert.
Dem Höhenflügen der einen steht ein Absturz der anderen gegenüber. Nach dem jüngsten Baden-Württemberg-Trend, der auch Schmids acht Prozent zu Tage förderte, antworten auf die Sonntagsfrage gerade noch 17 Prozent, sie würden SPD wählen. So schlecht standen die Sozialdemokraten noch nie da. Ist der aktuelle Tiefstand nicht tatsächlich die Talsohle, wie schon bei 32,4 Prozent (1980), 29,4 Prozent (1992) oder bei 25,1 Prozent (1996) flehentlich erhofft, dann wird es nichts mit der zweiten Legislaturperiode. Der einzige Ausreißer im Sinkflug der vergangenen vier Jahrzehnte waren 2001 jene 33,3 Prozent der ungeliebten Landesvorsitzenden Ute Vogt. Die illustrieren allerdings zugleich den Niedergang. Vor 14 Jahren wählten 1,5 Millionen Baden-Württemberger rot, vor viereinhalb Jahr waren es noch 1,1 Millionen, zurzeit wären es – die Wahlbeteiligung von 2011 unterstellt – weniger als 900 000.
Die Auswirkungen für Grün-Rot sind dramatisch. Vor allem, weil die Profilierungsbereitschaft auf Kosten des Koalitionspartners die gemeinsame Basis unterminiert, im Landtag und vor allem auf kommunaler Ebene. In vielen Räten sind die Roten der Grünen größte Feinde. In Stuttgart muss sich OB Fritz Kuhn regelmäßig ankoffern lassen. Gerade wurde in Wiesloch ein promovierter Wieslocher mit bester Reputation und grünem Parteibuch entgegen der über Monate weit verbreiteten Erwartung nicht Oberbürgermeister, weil sich die SPD mit dem bürgerlichen Lager gegen ihn verbündete. "Die schlagen um sich", sagt einer aus der Landtagsfraktion, "als wären sie wirklich im Überlebenskampf."
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Blender
am 04.11.2015